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23. Enjoy Jazz Festival „Apropos Haltung – Jazz will wieder was!“

Das 23. Enjoy Jazz Festival in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen ging mit herausragenden Konzerten zu Ende. Von Ulrich Oberdorfer.

Im besten Falle ist ein Festival mehr als die Summe seiner Teile. Einzelne Konzerte formieren sich zu Reihen und Programmschwerpunkten, es lassen sich Querverbindungen zwischen Künstlerinnen und Künstlern ziehen, die Überfülle wird nicht als Überforderung, sondern als Inspiration wahrgenommen. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen schafft ein Bewusstsein dafür, dass Widersprüche nicht bedrohlich sein müssen, sondern vielmehr anregend sein können. Kurz: Es wird eine Geschichte erzählt, die mit unserer Gegenwart zu tun hat und vielleicht sogar mit Vergangenheit und Zukunft.

Das Enjoy Jazz Festival in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen, das sich über sechs Wochen lang vom Oktober in den November erstreckt, hatte bei seiner 23. Ausgabe einige Geschichten zu bieten: Es ging um Intersektionalität (wie könnte es nicht, in diesen Tagen), um Europa nach oder in der Krise, um jüdisches Leben in Deutschland. Vor allem aber ging es um Musik, um Extreme Music und eingängigere Formen des zeitgenössischen Jazz, das klassische Piano Trio war zahlreich vertreten, und einige Musikerinnen und Musiker aus der brodelnden britischen Szene gaben sich die Klinke in die Hand.

Newcomerinnen trafen auf alte Hasen, Praxis auf Theorie, Orient auf Okzident, Alte Welt auf Neue. Das Schöne: In diesem Jahr fanden tatsächlich alle Konzerte wieder vor Publikum statt, und man merkte, was in anderthalb Jahren Pandemie verloren zu gehen drohte: die Intensität eines Live-Erlebnisses, das Erspüren und die Übertragung von akuter Energie, etwas, was kein Live-Stream in HD ersetzen kann. Die Gäste kamen aus so ziemlich allen Weltgegenden, und nur wenige Veranstaltungen mussten aufgrund der allbekannten Lage verschoben werden. Das „Internationale Festival für Jazz und Anderes“ konnte seinem Namen 2021 also endlich wieder alle Ehre machen.



Far Side: Anja Lechner – Björn Meyer – Michele Rabbia 3.10.2021

© Frankfurter Rundschau, Kultur, 15.11.2021

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