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„Das wird man wohl noch sagen dürfen“ Warum „Meinungsfreiheit“ zum Kampfbegriff wurde von Ester Diestelmann

Ob Klimawandel, Corona oder Rassismus: Zu den existenziellen Fragen unserer Zeit haben fast alle eine Meinung. Aber wie entsteht eine Meinung idealerweise und sollte man sie zu jederzeit und unter allen Umständen kundtun? Sind die Grenzen des Sagbaren allein durch die Verfassung gesetzt oder gelten auch ethische Kriterien?

Der Begriff Meinungsfreiheit hat sich im vergangenen Jahrzehnt gewandelt und er wird im postfaktischen Zeitalter häufig instrumentalisiert. Wem nützt das
und welche Rolle spielen dabei die großen Tech-Unternehmen im Silicon Valley? Fakt ist: Plattformen, die wie Medienhäuser auftreten, auf die klassische Medien sogar in Teilen angewiesen sind, profitieren in bislang unbekannten Dimensionen von extremen Meinungen. Sie sind Teil ihres Geschäftsmodells. Die Struktur dieser Unternehmen, so schreibt es Joseph Vogl in „Ressentiment und Kapital“, vereinfachen die unbehelligte Abschöpfung von Profit und blockieren steuerpolitische Eingriffe.
Die Themen, die auf Facebook, Twitter und Co. besprochen werden, gelangen – zeitlich versetzt – auch in die klassischen Medien. Das Problem: Oft fehlt eine journalistische Einordnung. Frei nach dem Motto: gestern noch Trend, heute ein Thema. Unter anderem das deutschsprachige Feuilleton tappt hier immer
wieder in die PR-Falle einzelner Interessensgruppen. So kommt es zu verzerrten Darstellungen von gesellschaftlichen Phänomenen, unter anderem bei der viel besprochenen so genannten Cancel Culture. Zurück bleibt das Gefühl, dass die Welt immer schlechter wird und dass man kaum noch miteinander sprechen kann. Und so stellt sich die Frage: Wie können demokratische Gesellschaften dafür sorgen, dass die Errungenschaft der Meinungsfreiheit wieder ihrem eigentlichen Zweck dient? Nämlich in konstruktiven Diskussionen zu Kompromissen zu finden.




© Bayern2, Zündfunk Generator, 12.12.2021

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