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Der Mensch ist ein Schatten, den ein Buchstabe wirft – Der Dichter Ales Steger . Feature von Janko Hanushevsky

„Alles ist lebendig und könnte Sprache werden“ schreibt Ales Steger (*1973) in seinem „Logbuch der Gegenwart“. Für dieses literarische Experiment setzt sich der weitgereiste slowenische Dichter, Schriftsteller und Übersetzer jeweils 12 Stunden lang schreibend Orten aus, die er als bedeutsam für unsere Zeit empfindet. Das Geschriebene wird unredigiert sofort veröffentlicht.

„Wir stehen mit Orten in Resonanz, es fehlt uns nur die Sprache, um das auszudrücken“, ist sich Steger sicher. Auch in seinen Romanen und seinen Gedichten lotet er die Bedeutung von Sprache für unser Leben aus:

„Der Mensch ist ein Schatten,/Den ein Buchstabe wirft./ Der Buchstabe kommt überallhin./ Der Schatten verlässt nie/ Die Höhle.“

Sprache ist für ihn „ein Geflecht von Fäden, das uns Satz um Satz nach vorne zieht, Gedanke um Gedanke, ein lebendiger Fluss.“

Erst Sprache erzeugt Bewusstsein, begleitet und orientiert uns, gibt uns ein Gefühl dafür, wer wir eigentlich sind. Und: Sprache ist Ausdruck des Fluidums, das uns miteinander verbindet. Eine Herausforderung, den großen Menschheitsproblemen der Gegenwart zu begegnen, besteht für Steger darin, „dass wir unseren eigenen Erzählungen nicht mehr genug glauben, um für unser Leben wirklich bedeutsame Schlüsse daraus zu ziehen.“

„Unser Zeitalter begann wie ein Zahnschmerz“, schreibt Steger in einem Gedicht. Und macht sich schreibend daran, seine Resonanz mit dieser Welt und dieser Zeit für uns in Sprache zu fassen.



© Ö1, Tonspuren, 10.4.2022

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