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„Der Ruhestand steht dir schlecht.“ Porträt der Autorin Milena Michiko Flasar

Die Gefahr, am Ende des Berufslebens in ein seelisches Tief zu geraten, ist bekannt. Der Pensionsschock trifft vor allem Menschen, die sich über ihre Arbeit definiert haben, vorwiegend sind das Männer. Feature von Claudia Gschweitl

Doch dass auch die Ehefrauen unter der Pensionierung ihrer vormals vielbeschäftigten Gatten leiden können, davon erzählt Milena Michiko Flasar: „Der Ruhestand steht dir schlecht. Deine Frau hat bestimmt schon die Schnauze voll von dir“, heißt es in ihrem Buch „Herr Kato spielt Familie“. Das Phänomen hat sogar einen Namen: Retired Husband Syndrome, auf Deutsch Pensionierter-Ehemann-Syndrom. In Japan wurde dieses Syndrom, das zu Hautausschlägen, Rückenschmerzen und sogar zu Herzbeschwerden führen kann, als erstes untersucht. Die Scheidungsrate ist dort bei Pensionisten in den letzten Jahren stark gestiegen. Ähnliche Auswirkungen dürfte in ein paar Monaten die Corona-Krise zeigen.

Was es bedeutet, zu Hause eingesperrt zu sein, das weiß man in Japan nicht erst seit den Quarantäne-Maßnahmen. Der Rückzug in die eigenen vier Wände ist dort ein Massenphänomen, dem sich Flasar in ihrem 2012 erschienen Buch „Ich nannte ihn Krawatte“ widmet. „Hikikomori“ nennt man in Japan Menschen, die sich vollkommen von der Gesellschaft abwenden. Schätzungen zufolge leben in Japan bis zu eine Million Menschen in dieser selbstgewählten Isolation. Viele verlassen ihr Zimmer jahrelang nicht. In den „Tonspuren“ spricht die 1980 in St. Pölten geborene Autorin mit japanischen Wurzeln über den Rückzug aus dem Arbeitsleben, den Rückzug aus der Gesellschaft, die damit gewonnene Zeit und neues Glück.

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© Ö1, Tonspuren, 4.10.2020

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