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Feature: „Sitzen ohne Ende“ Segen und Fluch einer Untätigkeit Von Dieter Jandt

Wir sitzen ständig: Bei der Arbeit, im Zug, auf dem Amt, überall heißt es: Setzen Sie sich! Also wird die Wirbelsäule krumm, und Orthopäden schlagen aus unserer Steifheit Kapital. Doch zunächst setzen wir uns ins Wartezimmer.

Wie man aber richtig sitzt, lehren uns die Rückenschulen. Und die Stuhlindustrie erfindet immer pfiffigere Modelle, die das aktive Sitzen fördern.

Damit aber kann ein Mann, der 20 Jahre in Isolationshaft gesessen hat, wenig anfangen. Oft ist er in der Zelle auf und ab gegangen, weil er es anders nicht ausgehalten hat. Politiker gehen da ganz anders ran: Sie bevorzugen das Aussitzen, Helmut Kohl war ein Meister darin.

Außerdem ist Sitzen auch Ausdruck von Behaglichkeit. Man richtet sich ein, um gemütlich zu verweilen. Es gibt aber auch das aktive Aussitzen: Engagierte Geister versuchen mit Sitzblockaden durchzusetzen, dass Brennstäbe nicht transportiert oder keine Studiengebühren erhoben werden. Dabei sitzen die Demonstranten meist unbequem auf dem Boden. Wie man dort aber entspannt und gesund sitzt, lehren uns die Asiaten: Sie verharren stundenlang im Schneidersitz, ihre Mönche meditieren dabei und gehen anschließend locker und gelöst fort. Sie haben die Probleme der Welt ausgesessen.

Fußballtrainer kommen gar nicht dazu, es sich bequem zu machen. Ihr Stuhl wackelt ständig, und überhaupt laufen sie lieber die Coaching-Zone auf und ab. Irgendwann werden sie beurlaubt – und wechseln die Trainerbank. Denn ganz ohne Sitzen geht’s einfach nicht.

Manuskript PDF

Sitzen ohne Ende
Segen und Fluch einer Untätigkeit
Von Dieter Jandt

Regie: Uta Reitz
Es sprachen: Karlheinz Tafel, Thomas Lang, Michaela Breit und Claudia Mischke
Ton und Technik: Michael Neubert
Redaktion: Klaus Pilger
Produktion: Dlf 2013

 

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