Musiktipps

Nachruf auf den Popjournalisten Hans Keller „Vee Are Pfrom The German Band Eisenstein“

Zum Tod des Musikjournalisten und Ur-Pophipsters Hans Keller, der als erster in Europa über Hip-Hop schrieb. Von Diedrich Diederichsen.

Spät in einer Nacht des Oktobers 1979 traten Hans Keller und ich aus der Hamburger Punkkneipe „Marktstube“ und kühlten unsere von Musik, Tanz und Debatte überhitzten Schädel. Bis in den späten Abend hatte er als Graphiker und ich als Redakteur an der neuen Ausgabe der Sounds gearbeitet. Die Cassette mit der phantastischen Specials-Debüt-LP war wieder rauf und runter gelaufen. Hans hatte sie von der Plattenfirma besorgt, der englischen, versteht sich, die deutsche wusste noch gar nichts von dieser Veröffentlichung.

Hans war ein, mit seinen 35 Jahren zwar schon etwas älterer, aber um so hingebungsvollerer Anhänger des von den Specials und den anderen Two-Tone-Bands ausgelösten Ska-Revivals, ein Rude Boy bevor jemand anders in Deutschland es war – außer vielleicht Jäckie Eldorado, mit dem er ein paar Jahre zuvor auch schon im Kampf um den Titel der erste Punk Kopf an Kopf gelegen hatte.

Hans lebte in einem Loft in Tribeca, das eigentlich Iggy Pop gehörte, und entdeckte jeden Tag etwas Neues

Heute Abend hatte jemand auch Musik von den Merton Parkas und den Lambrettas mitgebracht, Bands, die sich an den Outfits und Verkehrsmitteln der Sechzigerjahre-Mods orientierten. In seinem bedächtigen, aber scharf gesetzten Schweizer Akzent setzte Hans zu einer autobiographischen Reflexion faustischen Ausmaßes an: Nun bin ich schon Teddy Boy, Rocker, Mod, Hippie, Psychedeliker, Punk und vieles mehr gewesen – soll ich mich jetzt auch noch dem Mod-Revival anschließen?



© Süddeutsche Zeitung, Kultur, 14.1.2022

10 Gedanken zu „Nachruf auf den Popjournalisten Hans Keller „Vee Are Pfrom The German Band Eisenstein“

  • ich war so froh, mitte der 70er die sounds für mich entdeckt zu haben … und dann kamen dietrichsen und keller.

    glücklicherweise gab’s ja noch die rock & folk, seit 1966 im dienste des rock, bis heute ungeschlagen. von der sounds bleibt mir immerhin dieses schöne „plattenkritiken 66-77“, das nur sachen beinhaltet, bevor dietrichsen & keller die zeitung ruiniert haben.

    die spex habe ich nach nem jahr auch eher ignoriert.

    wie gesagt, ich hab‘ die rock & folk, da bin ich zuhause

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  • portfuzzle

    Da kann ich nichts dazu sagen. Als „Wir“ dazu kamen, was das meiste davon Geschichte. Ob wohl immer mal wieder einige die Grenze passierten. Manche Verwandten dachten aber leider eher an die Bravo….;)

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    • deshalb habe ich ja meine ausufernde post zur R&F verlinkt, die mit ein paar fehleinschätzungen – wie etwa der ersten beiden nina hagen platten, die ich als prä-spliff und ausufernde Tubes-kopien relativiere – aufräumt. oder eben der überbewertung der keller/dietrichsen version der „sounds“.

      nein, die sounds war _vorher_ gut und hat mir geholfen, aus dem chaos in meinem durchaus umfangreichen rockuniversum eine geordnetes terrain zu machen, wie dias rororo rocklexikon, besser noch das lexikon rockmusik oder noch besser die rororo-reihe „rocksession“, deren erste drei ausgaben ich ja auf archive.org schön gescannt abgelegt habe.

      das hat mir geholgen, „einen plan zu kriegen“, wer mit wem wann und was. seitdem verstehe ich rockmusik eher als eine art „geschichtsschreibung“ von jugendkulturen . und so gehe ich da ran: eher „lexikalisch“.

      und – vor allem – widerpreche ich der deutschen selbstwahrnehmung, was rock-kritik angeht, die ich für absolut provinziell und viel zu stark in sachen marketing unterwegs als aufarbeitend. was die „sounds“ betrifft, da sind keller/dietrichsen eben für mich eher marktschreier die es versemmelt haben. nicht, daß ich da nicht selbst äußerst punk-affin gewesen wäre, aber verärgert darüber, daß die zwei sounds mißbraucht haben, um sich selbst als quasi titelhelden zu inszenieren. der artikel ist nur se verlängerung dieser pose: er feiert keller ab – aber durch dessen erhöhung erhöt er sich selbst. die lieben nicht den rock wie der coole philip manoevre, die finden sich selbst geil.

      mich ärgert auch diese elende provinzilität. jeder gebildete mit geschmack in frankreich zählt dir 10 krautrockbands auf. wir kennen da maximal 3 französische undergroundbands und können froh sein, wennjenseits von magma oder heldon noch ein dritter name kommt. erbärmlich!

      ich weiss ja nicht, in wie weit du meinem mäandernden text gefolgt bist und mein hohelied auf karl lippgaus darin entdeckt hast. nun ja, der ist – wie ich – zwischen frankreich und deutschland – zuhause und lustigerweise lebt er die hälfte des jahres in der ecke, in der ich 22 jahre lang urlaub gemacht habe, der französischen seite der pyrenäen, wo auch pascal comelade herkommt. der hat immer das abgedeckt für mich, was mit der alten „sounds“ prä keller/dietrichsen verloren ging: das ordnende.

      sorry für den text, aber mich ärgert diese sebstüberhöhung von dietrichsen durch die hintertür maßlos, wir haben bessere für den job, klaus walter, karl lippeegaus, ja auch jenni zylka zb,

      dietrichsen ist nur ein sich selbst überschätzender pfau. unddie „sounds“ ab deren herrschaft nur ein besseres werbeblatt. es lebe die rock & folk

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      • Lucky

        Ich mag sowohl Diederichsens Kritiken auf „1500 Schallplatten“ als auch die Rock-Sessions. Aber es schön zu sehen, mit wieviel Herzblut Du Dein Gift gegen DD ablässt, hardy – auch wenn ich es erstaunlich finde, mit welcher Hartnäckigkeit Du seinen Namen falsch schreibst… oder meinst Du gar einen anderen? Es gibt noch einen Detlef, aber der schreibt sich leider auch so wie Diedrich (ist ja auch sein Bruder) – allaf!

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        • Lucky

          P. S.: scheint ansteckend zu sein, jetzt schreibe ich seinen Namen auch schon falsch… kicher! 🙂

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        • Lucky

          Ach ne, war doch richtig geschrieben – Diedrich Diederichsen, was ist das auch für ein Name! 🙂

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        • lucky, ich kenne auch seinen bruder, aber der hat mir ja nicht die sounds ruiniert 😉

          ich mache das auch nicht aus der hohlen hand – ich habe den vergleich zu anderen, die (für mich) einen besseren job machen und denen es weniger um selbstbespiegelung geht.

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      • portfuzzle

        Hallo Hardy.
        Das ist schon stark, was du geschrieben hast.
        Da hatte ich wohl das Glück, dass ich nur das Radio als Infoquelle hatte.
        Und Bayern2 mit Bruckmaier, Jugel usw. bzw. RIAS und der Deutschlandfunk (als die abends noch Pop – und Rockmusik gespielt haben).
        So blieben mir die vielen Magazine erspart. Und Hören ist ja besser als Lesen, was die Musik betrifft.
        Natürlich war Karl Lippegaus ein riesen Türöffner, der einem die Ohren geöffnet hat.
        Da hatte ich sicher viel Glück!

        Spex hatte ich immer mal gelesen, wenn mich Artikel interessiert hatten.
        Auch eine Jazzzeitung habe ich nicht mehr. Deren Loblieder auf ECM, ACT usw. waren nicht mehr zu ertragen.
        Und ja, es gibt immer wieder Menschen, deren Bauchnabel der Nabel der Welt ist. Jedenfalls auf ihrem Planeten.

        Es ist schon ein schwieriges Gebiet.

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  • > Da hatte ich wohl das Glück, dass ich nur das Radio als Infoquelle hatte.

    das habe ich ja eigentlich erst ca, 1985 für mich entdeckt, als ich diesen TI 99/4a bekam und mein TV gerät als monitor einsetzen musste..vorher eben einerseits den versierten freundeskreis (snoid studios und vor allem die mittlerweile verstorbenenen V7 und wulf) .

    vor allem aber eben die ganzen produkte aus dem hause rororo, die ich wohl – was rockmusik betrifft – so ziemlich alle gekauft habe. wobei, wie erzählt, ich letztlich eher die bücher von christian graf dem rocklexikon den vorzug gebe und von der allerrsten version an gekauft habe – damals noch im taurus (selbst)verlag, ich liebe solche bücher und vor allem solche fleißarbeiten, gerade ist dieser ausstellungskatalog unterwegs zu mir.

    the art of rock oder shaking all over, auch so ne fleißarbeit, stehen natürlich auch im regal. ich bin da ein bißchen hardcre fan von so was.

    radio wie gesagt erst mitte 80er, vor allem die sachen im swr /lokal über FM, bayern/berlin waren zu weit weg) und dann die im DLF, aber da war die mauer schon weg – den soundcheck habe ich ja dann von der ersten sendung an aufgenommen und in lippegaus den autor entdeckt, der mir am nähesten war.

    > So blieben mir die vielen Magazine erspart

    ich habe gekauft, was zu kriegen war, hier stehen jahrgänge ME, rolling stone, rock et folk. die ersteren habe ich nicht mehr gekauft, als sie springer in die hände fielen. aber wie gesagt, ich bin da von den franzosen verwöhnt und verachte die deutsche kleinkariertheit.

    > jazz

    war halt in unserer szene leider nicht wirklich thema, eher reggae, westcoast, punk, krautrock. jemand, den ich via compuserve kennenlernte und der später mal für mercedes benz CDs über formel-eins fahrer redigierte, hat mir mal ein 20 kassetten paket geschnürt, um mich mit dem wesentlichen zu versorgen. aber bei uns war das kein thema, leider.

    > Jedenfalls auf ihrem Planeten.

    ich bin halt ein bißchen nachtragend, daß „meine“ sounds den bach runterging. DD (um nicht wieder seinen namen falsch zu schreiben) empfand ich als eingebildeten schnösel, mit hans ‚punk‘ keller kam ich ja zurecht, weil bei uns ja auch das gehört wurde (talking heads, XTC, abwörts … etc). aber DD war mir zu elitär und mariniert. wahrscheinlich das problem, das du mit der jazzzeitung hattest.

    und ja, ein weites feld, weil ja jeder seinen eigenen zugang hat und mit unterschiedlichen intensitäten konfrontiert. die war bei uns sehr hoch und alle im freundeskreis gruben tief, „arbeiteten“ ganze stammbäume von bands ab – kein wunder, daß bei mir die kassettenwand ein bißchen ausuferte.

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