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Nick Caves neues Album „Carnage“ Tanz auf dem Balkon Von Thomas Bärnthaler

Wer wissen möchte, wie es Nick Cave, dem letzten Wanderprediger dieses noch jungen, aber hinterhältigen Jahrhunderts, in diesen pandemischen Tagen so ergeht, muss nur die Webseite „The Red Hand Files“ konsultieren, sein öffentliches Frage-Forum im Internet.

 Er komme schon klar, ließ er dort kürzlich wissen und kündete bei der Gelegenheit auch gleich noch sein neues Album „Carnage“ (Gemetzel) an, das an diesem Freitag in digitaler Form erscheint (die CD und die LP folgen im Mai bei Goliath Records).

Einem Fan, der daraufhin protestierte („We need more info!“), schrieb er: „Wie wär’s damit: Carnage ist eine brutale, aber schöne Platte, eingebettet in eine gemeinschaftliche Katastrophe.“ Dazu postete er ein Polaroid eines verlorenen, verwitterten Handschuhs auf blanker Erde. Gemetzel und Schönheit also. Und ja, haben wir alle nicht etwas Unwiederbringliches verloren, seit das Virus uns in Bann hält? Nennen wir es ruhig: Urvertrauen.

Cave, das muss man wissen, hat schwere Jahre hinter sich. 2015 war sein Sohn tödlich verunglückt. Sein letztes Album hatte er ganz der Trauerarbeit gewidmet und sich darauf schwer gezeichnet und ungewohnt nahbar präsentiert. Für „Ghosteen“ war er wie Orpheus hinabgestiegen ins Totenreich, um die Mächte der Unterwelt anzurufen. Er sang und flehte, dass die Steine weinten, und fand schließlich so was wie Seelenfrieden in der Anerkennung des Verlusts als existenzielle Konstante. Aus dem einstigen Fürsten der Finsternis war ein Geläuterter geworden, ein Schamane im Auftrag der Liebe.

© Süddeutsche Zeitung, Kultur, Musik, 25.2.2021

3 Gedanken zu „Nick Caves neues Album „Carnage“ Tanz auf dem Balkon Von Thomas Bärnthaler

    • portfuzzle

      Na ja. Es ist wie immer. Mir gefällts. Und auf jedenfalls ist es besser also seine Solonummer. Geschmacksache. Und wer erwartet denn, das Nick Cave sich neu erfindet? Wohl eher nicht. Denke ich mal.

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      • > Mir gefällts.

        aber ja doch, ich fand „idiot prayer“, als es in bbc radio 6 lief, auch großartig. aber – du sagst es, geschmacksache – irgendwie ist er nie recht bei mir angekommen, ich muss immer an „an american prayer“ von jim morrison denken und wurde dann nicht recht warm mit cave. der rezensent ist ja auch irgendwie zwiegespalten zwischen luftnummer und großarrig.

        und ja, klar doch, der muss sich ja auch nicht neu erfinden, er besetzt halt eine vakante stelle.

        ich fand die rezension halt überraschend kritisch, cave wird allgemein ja doch eher geschätzt.

        Antwort

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