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R.I.P. Günter Kunert ( 6. März 1929 – 21. September 2019)

Die Feuilletons trauern um den Schriftsteller Günter Kunert, der im Alter von neunzig Jahren gestorben ist. Als Sohn einer Jüdin von den Nazis gegängelt, brach er im Zuge der Ausbürgerung Wolf Biermanns schließlich auch mit der DDR – ein enttäuschter Sozialist, der sich zum Antikommunisten wandelte.

So „blieb er immer ein hellsichtiger Zweifler an der geraden Linie„, schreibt Jürgen Verdofsky in der FR. „Vieles sah er schmerzlicher und schärfer als andere. Er war in der Nachkriegsgeneration der deutschen Literatur, die er in Ost und West mitgeprägt hat, ein rastloser Dichter, ein Unruhepol, immer in Notwehr gegen ideologische Vereinfachung.“ Und Beatrix Langer ergänzt in der NZZ: „Aus dem Diktum der Vergänglichkeit bezog er für sich selbst eine heitere Lebensphilosophie, in der das Schreiben eine schöne, vielleicht die schönste Form der Fortbewegung blieb.“ Seine Arbeiten „haben das Dilemma der Intellektuellen des 20. Jahrhunderts in eine Poetik des Individualismus übersetzt: in die Enge getrieben zu sein zwischen Totalitarismus und Freiheitspathos, unglücklichem Bewusstsein und Machtlosigkeit.“ Als heiteren Melancholiker würdigt ihn Tilman Krause in der Welt: „Er war ein herrlich umgänglicher Mensch. So, wie man den klassischen Vertreter der Spaßgesellschaft daran erkennt, dass er meist ein griesgrämiger, kommunikativ gestörter Langweiler ist, so erkennt man ja den wahren Melancholiker daran, dass er gern lacht, weil er so sehr der Erlösung aus dem Traurigsein bedarf.“ Zu betrauern ist somit „ein Poet aus der Tradition Villons, Harsdörffers und Arno Holz‘, ein Spieler und Provokateur, der doch im Grunde seines Herzens Humanist und Elegiker war.“ Tagesspiegel-Kritikerin Katrin Hillgruber attestiert ihm einen „produktiven Pessimismus“. © Text: Efeu, Perlentaucher, 23.9.2019

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