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Release Tipp: Neue Veröffentlichungen vom Label Empreintes DIGITALes

Wer auf akustische Abenteuer aus ist, sprich neudeutsch: Kopfkino, der ist auf dem kanadischen Label Empreintes DIGITALes bestens aufgehoben. Seit 1990 zählen sie zu den wichtigsten Labels für elektroakustische Musik und das aus vielerlei Gründen.


Empreintes DIGITALes = digitaler Fingerabdruck. Das ist nicht das Label-Logo, aber ich fand sehr passend!

Ihre Veröffentlichungen sind mir seit Jahren immer wieder aufgefallen. Hier fand ich Horacio Vaggione wieder und entdeckte neue Klangforscher. Mittlerweile übernimmt mein „Dealer“ diese Funktion und schickt mir immer wieder die neusten Produktionen. Auch wenn mir vieles davon gefiel – einiges kaufte ich auch selbst – konnte ich mich nie dazu aufraffen, das in einen Tipp umzusetzen.

Das soll heute anders sein. Ich bin mir sehr bewusst, dass ich zu wenig über das Label weiß und so erwartet Euch eine Mixtur aus Fundstücken und ich hoffe, dass es Euch zum Anhören ermuntert! Die Klangqualität, die Euch erwartet, ist der Wahnsinn. Sie waren die ersten, die eine Bluray Audio auf den Markt brachten und besser kann diese Musik nicht klingen. Hier sind Empreintes DIGITALes eine unerreichte Referenz und man hat schnell mehrere Gigabyte an Musik auf der Festplatte.


Das 1989 von Jean-François Denis und Claude Schryer in Montréal gegründete Label empreintes DIGITALes – seit 1991 unter der Leitung von Jean-François Denis – konzentriert sich auf Elektroakustik, Akustik, Musique Concrète… 2005 geht empreintes DIGITALes innovativ von der CD zum DVD-Audio über und bringt die Tiefe und Räumlichkeit des Klangs von Konzertsälen in Ihr Wohnzimmer. Die DVD-Audio bietet mit ihrer 24-Bit-Kodierung eine sehr hohe Klangtreue und einen immersiven Klangraum, der dem Surround 5.1-Klang des Heimkinos entspricht. Im Jahr 2014 hat empreintes DIGITALes mit der Veröffentlichung einer ersten Disc auf Blu-ray (nur Audio) noch in 24-Bit-High-Resolution und in Surround 7.1, Surround 5.1 und Stereo eine weitere Innovation geschaffen. Seit dem Frühjahr 2018 sind digitale Audiodateien in FLAC (neben OGG und MP3) in „Studio“-Qualität erhältlich! © Text: empreintes DIGITALes


Bei meiner Recherche fand ich einen Text von Jochen Kleinhenz, der auf Bad Alchemy 1992 erschienen ist (wo auch sonst).

In Kanada hat sich ein neues Label die Veröffentlichung zeitgenössischer elektronischer/elektroakustischer Musik zum Programm gemacht: in der Reihe »empreintes DIGITALes« sind bis jetzt sechs CDs erschienen, die sowohl durch die Musik als auch durch klangliche Aufarbeitung derselben und die Fülle an Informationen in den Booklets Maßstäbe setzen. Die Stärke solcher Musik liegt, wie auch bei den INA/GRM-Veröffentlichungen, in der individuellen Wirkung und widersetzt sich den Versuchen, sich in Schemata pressen zu lassen (genauso wenig will sich ja auch der aufgeschlossene Musikkonsument in eine Schublade stecken lassen).

Jochen Kleinhenz, Bad Alchemy, 1992 / Auszug


Alle Stücke auf diesem Album wurden in einer Lautsprecherkuppel komponiert und sind für eine Präsentation in diesem Format konzipiert. Sie sind eindringlich und laden den Hörer ein, in die Klänge einzutauchen. Die Stereoversionen auf diesem Album sind wie Postkarten der Originalstücke: Sie sind so etwas wie ein Andenken an sie. Ich hoffe, dass ich eines Tages die Gelegenheit haben werde, sie Ihnen auf dem vollen Lautsprecherfeld zu präsentieren. Bis dahin, viel Spaß. © Robert Normandeau


Über Robert Normandeau:

Sein kompositorisches Schaffen ist hauptsächlich der akusmatischen Musik gewidmet, obwohl er auch einige gemischte Werke komponierte. In seinen Kompositionen werden ästhetische Kriterien angewandt, um ein „Kino für das Ohr“ zu schaffen, in dem sowohl die „Bedeutung“ als auch der „Klang“ zu den Elementen werden, die seine Werke ausmachen. In jüngster Zeit hat Robert Normandeau einen Zyklus mit immersiver mehrstimmiger Musik für eine Lautsprecherkuppel komponiert. Neben Konzertmusik komponiert er seit zwanzig Jahren auch Bühnenmusik, insbesondere für das Theater.

Über zwanzig Jahre lang war er auch als künstlerischer Leiter tätig, insbesondere für die Konzertreihe Clair de terre (Association pour la création et la recherche électroacoustiques du Québec (ACREQ )) von 1989 bis ’93 im Planétarium de Montréal sowie Rien à voir und Akousma (Réseaux) von 1997 bis 2006. © empreintes DIGITALes



Von all den Releases, die ich hier ansprechen werde, ist dies mein Favorit. Ein akustisches Abenteuer „par Exzellence“ erwarten Euch. Seine akusmatischen Räume nehmen einen gefangen, die Soundscapes entfachen einen Malstrom, aus dem es kein Entrinnen gibt. Außer man setzt die Kopfhörer ab;) Kopfkino wie es besser nicht geht.



Der Komponist Louis Dufort aus Montréal ist seit den 1990er Jahren eine treibende Kraft in der akusmatischen Musik. Es ist faszinierend zu hören, wie die neuere elektronische Musik der „Akademie“ die elektronische Musik des Dancefloors auf ihre eigene Art und Weise aufnimmt und dekontextualisiert. Über empreintes DIGITALes versammelt Into the Forest Werke von Dufort aus den letzten fünf Jahren, die von Wanderungen in den Bergen und Wäldern Kanadas inspiriert sind. Sie geben die Erfahrung der Natur – ihre Freuden, Annehmlichkeiten, Schrecken und Erhabenheit – mit hochartifiziellen Mitteln wieder und erinnern (auf ihre eigene Weise) an die basslastige, verzerrte Elektronik von Vladislav Delays jüngster Rakka-Duologie. In diesem speziellen 10-Minuten-Stück [Into the forest my wounded arms wide open] konkurrieren schnelle glitchige stereophone elektronische Beats mit digitalisierten Feldaufnahmen und Synthesizer-Pads; anderswo akzentuieren Sub-Bass-Drops statisch gefüllte Landschaften. Ich kann mir nur vorstellen, wie das Erleben dieser Werke in Surround Sound in großen Soundsystemen die Art von Ehrfurcht hervorrufen würde, von der sie selbst inspiriert sind.© Peter Hollo, FBi Radio, November 21, 2021




Ihre Werke spiegeln ihr Interesse an imaginären Welten wider, wie die Welten, die das Radio überträgt, das sie täglich hört, und sie diese Welten als imaginäre Landschaften wiedergibt, in denen ikonische und transformierte Klänge als Landschaften fungieren, die sich den Hörern repräsentieren. Sie vermitteln auch ihre Fähigkeit – die sie in ihrer Karriere als Geräuschemacherin – nicht-instrumentale Klänge zum Sprechen zu bringen, sie ausdrucksstark zu machen, Klangkörper mit Präzision und einem scharfen Blick für die kleinsten, beredten Variationen zu manipulieren, die sie bieten können. Landschaftsaufnahmen und Spielsequenzen sind zu dem Eckpfeiler ihrer Arbeiten geworden.© Empreintes DIGITALes




Dieses Album hat mehr mit einem Gedichtband als mit einem Roman zu tun. Zugegeben, die Stücke teilen Bilder und Themen, sowohl musikalisch als auch referenziell, aber jedes bietet sein eigenes Universum und seine eigene Geschichte… daher die langen Pausen zwischen den Stücken, um die Substanz als Echo in der Stille, die auf das Hören folgt, wieder auftauchen zu lassen.

So sind meine Titel wie auch meine Programmnotizen für mich Einladungen, Eindrücke, Anspielungen auf ein unbeschreibliches Gefühl, das die Musik in ihrer unmittelbaren Vielfalt umfassender, wesentlicher ausdrückt: greifbar, wie eine Beschwörung. © Pierre Alexandre Tremblay



Wenn die Zeit gekommen ist, die Musikgeschichte unseres Jahrhunderts zu schreiben, und die endlosen Kämpfe mangels Kämpfern gestorben sind, wird diese Weite des Klanguniversums ihren rechtmäßigen Platz einnehmen. Aber wo ist diese neue Sprache zu diesem Zeitpunkt? Um eine Sprache zu sein, braucht man ein Vokabular, eine Syntax und eine Grammatik; die Freude und der Schmerz der Elektroakustik besteht darin, dass jedes Werk die Erfindung einer eigenen Sprache verlangt, da es sonst, ohne es zu wollen, als Nachahmung versagt. Und dabei haben wir noch nicht einmal über den Stil gesprochen! Jeder Entdecker dieses akustischen Waldes muss eine Spur hinterlassen, die den Hörer leitet, ohne auch nur einen Moment lang den Zauber zu zerstören.

Und genau das ist Normandeau gelungen. Er führt den Hörer nie in ein klangliches Labyrinth, in dem er nicht selbst der Meister und erfahrene Reisende ist. Die Idee der „Hörbarkeit“, die in den letzten 50 Jahren so oft gefehlt hat, kehrt bei ihm mit Macht zurück, ohne dass er sich der Einfachheit oder dem Alltäglichen hingibt. Er spricht seine eigenen Ideen mit seiner eigenen Stimme – jedes Werk ist anders, obwohl es eindeutig zur selben Familie gehört.

Georges Nicholson, Montréal, 1990

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