Musiktipps

Robert Fripp: „Der Sergeant Pepper des Avant-Punk?“. Von Peter Kemper

Tanzmusik aus dem Tiefkühlfach, mit dem Schneidbrenner erhitzt: Ein riesiges Box-Set erkundet das Werk des Rockers Robert Fripp. Es bietet sagenhaftes Material.

Für überbordenden Witz war Robert Fripp Ende der Siebziger nicht gerade berüchtigt. Hatte er doch den Ruf eines autoritären Rock-Roboters, der seine Herzensband King Crimson humorlos durch Labyrinthe vertrackter Taktarten und komplexer Polyphonie trieb. Doch als er 1979 sein erstes Soloalbum „Exposure“ mit den Worten ankündigte, es handele sich dabei um den „dritten Teil einer Middle-of-the-Road-Trilogie“, saß ihm der sprichwörtliche Schalk im Nacken.

Denn was auf diesem vertonten Tagebuch zu hören war – ruppige Punk-Gesten, verträumte „Frippertronics“, aus der Spur geratene New-Wave-Kracher, Audio-Vérité-Klangfetzen –, stand quer zu den Hörgewohnheiten eines Massenpublikums. Und doch fängt das Album alle Seiten von Fripps komplizierter Persönlichkeit ein. Da ist es nur konsequent, dass ihm jede stilistische Konsistenz fehlt. Überraschend aber bleibt, dass man sie gar nicht vermisst. Nicht zufällig adelte das britische „Wire“-Magazin „Exposure“ als „The Sgt. Pepper of Avant-Punk“.

Was sind „Frippertronics“?

Nachdem er 1974 die dritte Ausgabe von King Crimson in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, mit dem Ambient-Visionär Brian Eno zusammengearbeitet und das zweite Peter-Gabriel-Album sowie Daryl Halls „Sacred Songs“ produziert hatte, ging Fripp gut gelaunt daran, die New Yorker New-Wave-Szene aufzumischen. Seine Auftritte mit Blondie oder den Talking Heads sind Legende. Vor allem aber war er von den mit Eno zusammen entwickelten „Frippertronics“ geradezu besessen. Das beste Beispiel dafür liefert ein Konzertmitschnitt aus der Washington Methodist Church, der jetzt erstmals in dem Box-Set „Expo­sures“ erschienen ist, das auf zweiunddreißig CDs, inklusive DVDs und Blu-rays, alle Solo-Arbeiten von 1977 bis 1983 versammelt. Allein die mehr als siebzig Stunden unveröffentlichten „Frippertronics“ lassen den Hörer betäubt und beseelt zugleich zurück.




© FAZ, Feuilleton, 16.6.2022

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