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„Schreiben ist keine Nahtoderfahrung.“ Die Schriftstellerin, Dramatikerin und Online-Kolumnistin Sibylle Berg

Bereits als Fünfjährige in Weimar wusste Sibylle Berg, wohin sie sich beruflich bewegen wollte. Aber als Zwanzigjährige wollte sie zuerst einmal in den kapitalistischen Westen und nach mehreren Anläufen gelang es ihr tatsächlich, mit einem Ausreiseantrag 1982 die DDR zu verlassen. Feature von Peter Angerer.

Dann dauerte es noch einmal 15 Jahre, bis 1997 ihr erster Roman erscheinen konnte. „Ich habe mit dem ersten Buch 50 Absagen kassiert“, erinnert sich Sibylle Berg. „ich hab das gezählt, bis dann einer das gut fand, weil so schrieb man damals nicht. Das gab es nicht, da gab’s immer noch diese bleierne deutsche Literatur. Das war dann einfach Glück, sonst würde ich wahrscheinlich irgendwo noch als Putzfrau arbeiten und weiter schreiben oder mich erschossen haben.“ Der Roman „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ wurde sofort ein Bestseller, obwohl 100.000 Exemplare für Berg nur eine bescheidene Auflage ist, denn „von der Dimension stellte ich mir 80 Milliarden verkaufte Bücher vor, aber ich glaube, das kriege ich nicht hin“. Auch ihre zuletzt erschienenen Romane wie „Der Mann schläft“ und „Vielen Dank für das Leben“ wurden vom Verlag nach kurzer Zeit mit einem Bestseller-Aufkleber verziert, aber eben, siehe oben. Da fanden die Redakteure von Spiegel Online wahrscheinlich die richtige Sprache, um die Autorin für die wöchentliche Kolumne „Fragen Sie Frau Sibylle“ zu gewinnen. „Es hat mir anfangs nicht behagt, weil ich die Regelmäßigkeit von diesen Texten nicht besonders mag, also muss ich jede Woche da was rauskacken und die Bezahlung bei Onlinegeschichten ist natürlich auch sehr dürftig, aber sie sagten, es erreicht aber Milliarden Menschen. Dann dachte ich, das ist vielleicht okay, denn damit kann ich vielleicht ein Gegengewicht herstellen zu Theater und Büchern, die eine relativ kleine Wirkung erzielen, könnte ich vielleicht das nehmen, um mich zu wehren, ein bisschen Stunk zu machen, Debatten anzustoßen, für das funktioniert das ganz gut“. Im Juli 2013 erschien bei Hanser eine Auswahl dieser Texte: „Wie halte ich das nur alles aus?“



© Ö1, Tonspuren, 5.6.2022

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