Studio Neue Musik: „Masse und Macht“ Musik von Zimmermann, Eggert, Ives, Ferneyhough, Nancarrow und Stockhausen
Diese Partituren ähneln Wimmelbildern. Sie sind undurchdringlich wie der Dschungel, sie bieten Totale und Naheinstellung zugleich, als ob man die Welt durch Mikroskop und Teleskop gleichzeitig betrachtet. Mit Rainer Peters.
Schon zu Beginn seiner Oper Die Soldaten geht Bernd Alois Zimmermann aufs Ganze: Er türmt die Klangmassen übereinander. Wie in einem Brennspiegel wird die Bühnenkatastrophe orchestral vorweggenommen. Massiv geht Moritz Eggert zur Sache, wenn in Number Nine VII: Masse „alle Musiker ohne Pause spielen müssen“. Brian Ferneyhoughs Orchesterutopie La terre est un homme ist kaum zu toppen: Ein kalligrafisches Wunderwerk, voller Verästelungen und vertrackter Schichten. Conlon Nancarrow umging mit seinen Studies for Player Piano bewusst den Menschen als „unvollkommenen“ Ausführenden. In seiner Study No. 41c stapelt er zwei Stücke zu einem hyperkomplexen Kanon, der mal orchestral, mal elektronisch klingt, laut James Tenney „überwältigend wie ein veritabler Hurrican“. Den Vogel schießt Karlheinz Stockhausen mit Cosmic Pulses (2007) ab. Die Spuren verdichten sich hier zu einem hyperkomplexen Klangrätsel, als wären „die Rotationen von 24 Monden oder 24 Planeten zu komponieren“.
© WDR 3, Studio Neue Musik, 3.1.2021
Bernd Alois Zimmermann:Preludio, aus „Die Soldaten“, Vokalsinfonie; Finnish Radio Symphony Orchestra, Leitung: Hannu Lintu
Moritz Eggert:Ausschnitt aus „Number Nine VII: Masse“ für großes Orchester; Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung: Peter Rundel
Charles Ives:Symphony No. 4: Celestial Railroad; WDR Sinfonieorchester, Leitung: Peter Eötvös
Brian Ferneyhough:La terre est un homme für Orchester; BBC Symphony Orchestra, Leitung: Martyn Brabbins
Conlon Nancarrow:Study for Player Piano No. 41c
Karlheinz Stockhausen:Ausschnitt aus „cosmic pulses“, elektronische Komposition; SWR Experimentalstudio