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Das britische Elektronikduo Autechre veröffentlicht sein vierstündiges Werk „elseq 1–5“ im Netz. Manche Stücke sind zu lang für eine Platte.
Über die Geschichte des britischen Elektronikduos Autechre werden zwei Versionen erzählt. In der einen sprengen Autechre permanent Grenzen. Sie sind sozialisiert auf dem Dancefloor, haben aber die Sounds des Post-Industrial in ihre Sampler geladen. Damit haben sie die Fans von funktionalem Techno mit denen der nur am Klang interessierten Ästhetik der elektro-akustischen Nachkriegsavantgarde zusammengebracht. Das sind die Autechre, die im Hintergrund stilbildend für den Pop der späten Neunziger waren: Künstler, die dafür verantwortlich sind, dass Radiohead ihre melancholischen Indiegitarren um Synthesizer und Sampler ergänzt haben.
In der anderen Version sind Autechre zwei B-Boys: Jugendfreunde aus Nordengland, die sich über ihre Begeisterung für HipHop und Graffiti kennengelernt haben und deren Leben dadurch auf den Kopf gestellt wurde. Das ist die Version, die Autechre selbst erzählen. „Als wir anfingen, haben wir in unserem kleinen Studio gesessen, und gedacht, wie absurd es wäre, dass sich jemand diese Musik anhört“, erzählt Rob Booth. Gemeinsam mit Sean Brown hat er Autechre 1987 in der Nähe von Manchester gegründet.
© TAZ, 10.6.2016, CHRISTIAN WERTHSCHULTE
Mit „elseq 1-5“ melden sich die Elektro-Frickelmeister von Autechre zur allergrößten Zufriedenheit von Christian Werthschulte zurück. Jedes der fünf Kapitel besitzt Albumlänge – Material ist also reichlich vorhanden. Darin, schreibt der taz-Kritiker, „graben sich Autechre wie Maulwürfe durch die eigene Soundgeschichte, die immer wieder neu kontextualisiert wird. An einer Stelle taucht ein klassischer Boom-Bap-Beat auf, der sich selbst zermalmt. Kurz danach verlieren sich die beiden in einem 30-minütigen Ambientstück, dessen dräuende Filtersounds immer wieder verschoben werden, bis schließlich ein hübsch verhakelter Beat die Hände in die Luft werfen lässt. Schließlich laden sie zum musikalischen Culture-Clash, wenn albern-euphorische Acid-House-Synths so in einen Strudel an Schlieren geraten, als hätten die Begründer der Musique Concrète selbst Hand an die Bandmaschine gelegt. … Autechre machen vor, wie Musik klingen kann, die im Überfluss des Maschinenmöglichen entsteht.
„Efeu“, Perlentaucher vom 10.6.2016