Von Ulrich Stock. Jahrzehntelang war sein Leben ein Fauchen und Hauchen, nun hat er seinen letzten Atemzug getan. Während der Wuppertaler Saxofonist Peter Brötzmann mit seiner Ästhetik des Schreis Weltruhm erlangte und darüber 82 Jahre alt wurde, galt er in Deutschland vielen als nervtötender Nichtskönner.
Uns Trauernden bleibt die Erinnerung an einen Musiker, der sich der Einordnung seines Tuns durch widersprüchliche Einlassungen fortwährend entzog. Mehr als 150 Platten hat er mit seiner zunächst wilden, später auch zarten Momentkunst bespielt, zum Nachhören, für später.
Legen wir ihm zu Ehren eine der schönsten noch einmal auf, die Schwarzwaldfahrt aus dem Jahre 1977. Im sprechenden Titel ein stakkatoartiger Vokal (a – a – a), versteckt im undurchdringlichen Dickicht aus 13 Konsonanten: Schwrzwldfhrt. Schon das muss in Amerika Eindruck gemacht haben. Mit einem Tonbandgerät und zwei Mikrofonen zwischen den Bäumen und Büschen im Black Forest umherstreifen: ein Unterholzbläser. Tönend mal an seiner Seite, mal ihm gegenüber der kongeniale Perkussionist und Multiinstrumentalist Han Bennink aus den Niederlanden.
Die Schwarzwaldfahrt steht bei YouTube frei zugänglich im Netz, und sie ist, mit vielen wiedergefundenen Schwarz-Weiß-Fotografien, vor einigen Monaten als Buch und CD neu erschienen beim Wolke Verlag. Han Bennink, 81, tritt weiter auf. Peter Brötzmann seit dem 22. Juni leider nicht mehr. Ulrich Stock.
© Zeit Online, 28.6.2023