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„Manchmal muss man weggehen, um zu verstehen, woher man kommt“ Der US-amerikanische Schriftsteller Richard Russo. Feature von Alfred Koch

In Europa ist Richard Russo bislang nur wenig bekannt. Zu Unrecht, ist er doch ein mit allen Wassern gewaschener Erzähler, der wie kein anderer das Leben kleiner Leute in kleinen amerikanischen Städten beschreibt.

Feature von Alfred Koch

1993 erschien „Nobody’s Fool“, ein Roman über einen Gelegenheitsarbeiter in der fiktiven Kleinstadt Bath, der auf urkomische und ruinöse Weise versucht, sich selber treu zu bleiben. Der Roman wurde mit Paul Newman in der Hauptrolle verfilmt und machte Russo in den USA bekannt.

2002 erhielt er für „Empire Falls“ (Deutsch: „Diese gottverdammten Träume“) den renommierten Pulitzer- Preis, dazwischen und danach veröffentlichte er sieben weitere, dicke Romane, Kurzgeschichtenbände und obendrein verfasste er auch noch Drehbücher: Russo ist einer der produktivsten Schriftsteller der USA. Heute lebt er in Portland im reichen US-Bundesstaat Maine, aufgewachsen ist er dagegen in der Fabrikstadt Gloversville, 200 Meilen nördlich von New York.

In Gloversville wurden einst Handschuhe erzeugt, die Kleinstadt war ein Zentrum der Lederindustrie und wohlhabend, nach dem Zweiten Weltkrieg brach die Industrie jedoch ein und beschleunigte den Niedergang der Stadt. Wie viele andere verließ der Arbeitersohn Russo die Stadt, er ging aufs College nach Arizona und als erfolgreicher Schriftsteller später nach Maine – doch in seinen Romanen kehrt er immer wieder dahin zurück, bleibt das heruntergekommene Gloversville eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration und ist das unverkennbare Vorbild für die fiktiven Kleinstädte in seinen Romanen. „Es liegt eine gewisse Ironie darin“, sagt Russo, „dass ich es geschafft habe und aus der Stadt weg bin und dennoch von ihr nicht loskomme“.

© Ö1, Tonspuren, 30.6.2019

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