Florian Schneider ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Gemeinsam mit Ralf Hütter, mit dem er Kraftwerk gründete, gelang es ihm, „Popmusik als Rechnermusik in die Zukunft zu befördern.
Er erfand dabei auch einen neuen, coolen deutschen Schlagersound„, schreibt Jan Kedves in der SZ. Ein Sound, mit dem die Band Hip-Hop, Funk, Techno und Synth-Pop maßgeblich beeinflussten, wie Christoph Schachinger im Standard erwähnt und dabei auch darauf hinweist, dass David Bowie 1977 seinen Song „V2 Schneider“ dem Verstorbenen gewidmet hatte.
Mit Kraftwerk schwammen Schneider und Hütter seinerzeit „gegen den Strom“, witzelt Christoph Wagner in der NZZ: „Als in den 1970er Jahren die Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung aufkam, zogen sie sich den technikkritischen Schuh erst gar nicht an. Im Gegenteil: Sie berauschten sich an der Technik! Wie wiedergeborene Futuristen am Ende des 20. Jahrhunderts erkoren sie die synthetischen Sounds des elektronischen Zeitalters zum Klangideal.“
Somit ist mit diesem Tod auch das 20. Jahrhundert, dem Kraftwerk im letzten Viertel seines aktiven Verlaufs ihre klangliche Signatur verpassten, endgültig Geschichte, schreibt Markus Schneider in der Berliner Zeitung: Kraftwerk „feierten die Künstlichkeit bis zur Selbststilisierung als Roboter, deren Stimmen wesentlich aus der Klangforschung Florian Schneiders kamen. Wo die Züge und Straßen in Blues und Rock zu individueller Erlösung und Freiheit führen, verstanden Kraftwerk sie als moderne Kommunikationswege.“
Völlig modern waren Kraftwerks Anfänge allerdings nicht, schreibt Tobias Rüther auf FAZ.net: Die ersten Fotos zeigen Schneider, im übrigen der Sohn des Nachkriegsarchitekten Paul Schneider–Esleben, noch beim romantisch versonnenen Spielen der Querflöte: „Aufrecht sitzt er da, wie es sein Instrument erfordert, eine elegante Erscheinung aus gutem Haus.“ Von der experimentellen Krautrock-Szene sagten sich Kraftwerk spätestens mit „Autobahn“ los, erklärt Jens Balzer auf ZeitOnline: Sie wollten „nicht in psychedelischer Hitze verbrennen. Sie suchen gerade nicht nach einer Entfesselung der musikalischen Mittel und einer Entgrenzung der künstlerischen Subjektivität in den endlosen Jams der erweiterten Kollektivbewusstseine – vielmehr wollen sie ihre Musik immer kälter werden lassen und immer weniger individualistisch.“
https://youtu.be/5DBc5NpyEoo
Dass Kraftwerk sich immer wieder aus dem ästhetischen Fundus der Avantgarde bedienten, sei maßgeblich Schneider zu verdanken gewesen, schreibt Christoph Schröder im Tagesspiegel: Das Konzept des image-prägenden Albums „Die Mensch-Maschine“ gehe auf ihn zurück. „Später entwickelte er eine elektronische Flöte, spielte Synthesizer, produzierte, entwarf Sounds, arbeitete an Effekten und den künstlichen Robovox–Stimmen. Seine Rolle ähnelt der von Brian Eno bei Roxy Music.“ Weitere Nachrufe im Guardian und in der New York Times.
Nach seinem Abschied von der Band im Jahr 2008 machte Schneider 2015 noch einmal mit einem solo produzierten Stück auf sich aufmerksam: „Stop Plastic Pollution“ zeigt (wie auch dieses, nun ja, „Interview“), dass Schneider einen etwas verqueren Humor pflegte:
© Text + Video Auswahl: Perlentaucher/Efeu 7.5.2020