Stimmen der DDR-Opposition, Straßenschalten als Sportevent, gefälschter Mauerfall: Mit einem provokanten Programm irritierte der erste private Berliner Hörfunksender Radio 100 Ende der 80er-Jahre seine Hörer und die Politik in West und Ost. Am Samstag wird das anarchisch-politische Radio für einen Tag zum Leben erweckt.
Adalbert Siniawski: West-Berlin, Ende der 80er Jahre: Ein kleiner, mutiger Radiosender schickt das erste lesbisch-schwule Programm in den Äther. In einer anderen Sendung liest der Moderator eine gefälschte Meldung über die angebliche Öffnung der Berliner Mauer – und sorgt damit bei den Hörern für große Verwirrung. Und überhaupt DDR: Regelmäßig haben Bürgerrechtler jenseits der Mauer ihr eigenes Fenster im Programm. Radio 100 hieß dieser anarchisch-politische Sender, der vor 30 Jahren als eines der ersten privaten Programme die Hörfunklandschaft in Berlin und darüber hinaus aufmischte.
1991 wurde Radio 100 nach einem Insolvenzverfahren der Stecker gezogen. Doch die Erfolgsgeschichte wird an diesem Samstag für einen Tag neu aufgelegt: Die Macher von damals bringen Radio 100 noch einmal auf Sendung. Wie das klingen wird, hören wir jetzt von Michael Neuner – früher PR-Mann und Programmgestalter-, und Manuela Kay, Moderatorin der ersten Stunde bei der lesbisch-schwulen Sendung Eldoradio. Guten Tag nach Berlin!
Manuela Kay: Hallo!
Michael Neuner: Hallo!
Siniawski: Ja, warum etwas aus Nostalgie wiederbeleben, was längst Geschichte ist und sich erledigt hat?
Neuner: Hat es sich erledigt? Das ist ja genau die Frage, weshalb wir das Ganze veranstalten. Das ist ein Rückblick, das ist für viele auch eine persönliche Frage. Es ist ein bisschen Selbstbeschauung. Es ist ein Abgleich mit der Jetzt-Zeit. Haben wir Spuren hinterlassen, wenn ja: wo? Wo wären wir heute?
„Das Konkursverfahren war ie vieles bei uns auch ein Fake“
© Deutschlandfunk, Corso, 2.3.2017