Musiktipps

VAN: „Vorsicht Glätte!“ Mehr geschmeidige Durchhörbarkeits-Soße für Gelegenheitshörer …

Über eine Studie, mit der die WDR 3-Sendeleitung die Verbannung von Chormusik, Oper, Operetten und Jazz aus dem morgendlichen Hauptprogramm rechtfertigt. Von Hartmut Welscher.

Am letzten Montag um kurz vor neun lief auf WDR 3 Franz Schuberts Lied Auf dem Wasser zu singen. Es war das passende Musikstück, um sich an diesem arktischen Flockdown-Morgen in NRW für dreieinhalb Minuten an einen besseren Ort zu sehnen: Ach, auf der Freude sanftschimmernden Wellen | Gleitet die Seele dahin wie der Kahn. Der Text des Liedes blieb allerdings stumm – gespielt wurde die Klavierfassung von Franz Liszt. Bis auf Weiteres werden die morgendlichen Hörer:innen des Kulturmagazins Mosaik auch auf alle anderen gesungenen Lieder von Franz Schubert verzichten müssen. Ebenso auf Chormusik, Oper, Operetten, Jazz… Die lägen ab sofort »im Giftschrank«, wie es ein WDR-Mitarbeiter ausdrückt.

Schuld daran sind jene 1011 »deutschsprachigen, klassikaffinen Personen ab 14 in Privathaushalten mit Internetanschluss in NRW«, die im Sommer 2019 an einer vom WDR in Auftrag gegebenen Online-Befragung teilgenommen hatten. [Die Ergebnisse liegen VAN vor.] Ihnen wurden dabei zwanzigsekündige Ausschnitte von Musikstücken vorgespielt, wobei jeweils drei zu einem von 13 »Musikstil«-Clustern zusammengefasst waren, von M1 »Weltliche Chormusik« bis M13 »Jazz«. (Unter den 39 ausgewählten Stücken war nur ein einziges von einer Frau – Hit that jive Jack von Diana Krall im »Genre Jazz«.)

Als die beliebtesten »Musikstile« erwiesen sich dabei »Leichte Klassik instrumental« (Strauss: Frühlingsstimmen-Walzer, Fucik: Die Regimentstochter, Gungl: Elbröschen), »Romantische/Getragene Klassik« (Satie: Gymnopédie Nr. 1, Beethoven: Romanze Nr. 2, Fauré: Pavane) sowie »New Classics« (Glass: Notes on a Scandal, Frahm: Ambre, M. Richter: The Mercy).  

© VAN, 10.2.2021

5 Gedanken zu „VAN: „Vorsicht Glätte!“ Mehr geschmeidige Durchhörbarkeits-Soße für Gelegenheitshörer …

  • Pling-Plong

    Oje, bald ist es mit dem WDR wirklich ganz vorbei! Und der war seit meiner Kindheit mein Lieblingssender, der mich quasi akustisch gesäugt hat.
    Aber Formatradio jetzt auch im Dritten…… So schaffen sie sich selber ab.
    Schade auch, dass die engagierten Mitarbeiter unter den Entscheidungen der (un)“verantwortlichen“ Führungskräfte ebenfalls leiden müssen.
    Dass ich davon hier heute , am Tag des Radios lese, ist dann noch mal eine ganz besondere Ironie des Schicksals…. ;-(

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    • portfuzzle

      Aber das passiert doch schon lange! Ich habe keinen Aufschrei gehört, als aus Nordwestradio Bremen 2 wurde. Da fielen ganze Sendereihen weg.
      Das könnte ich hier und jetzt weiterführen. So viele Programmreformen wurden schon durchgeführt, die immer nur eines zum Ziel haben, weniger Kosten.
      Also raus mit den freien Mitarbeitern. Weg mit Spartenprogrammen. Da müssen dann Quoten herhalten, wenn keine Argumente mehr greifen.
      Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben die aber gar nichts verloren!
      Dafür zahlen wir ja Gebühren, damit das keine Rolle mehr spielen sollte.
      Das, was jetzt wiedermal zu lesen ist, ist doch ein Sturm im Wasserglas. Bildungsauftrag usw.
      Es sind nur noch Worthülsen …. Die Frage ist doch, wo setzt man den Hebel an, damit das aufhört?

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  • Pling-Plong

    Da hast Du wohl recht.
    Damals habe ich allerdings schon an Radio Bremen geschrieben, als Antwort bekommt man die Standartphrasen
    “ die Mehrheit unserer Zuhörer schätzt durchaus,…….wir wollen uns an eine größere Zuhörerzahl wenden….“ etc.
    Der WDR antwortet auf meine durchaus sachlichen Beschwerden meistens gar nicht mehr.
    Der elende Einschaltquotenfetischismus ist neben der Sparwut das Problem.
    Daher sind wir Einzelwesen auch für die Herrschaften nicht mehr wichtig, es geht um die „Mehrheit“, die breite Masse.
    Nicht um die , die bewußt und gezielt einschalten, sondern um die, die „durchhören“.
    Ich erinnere an die Initativer der „Radioretter“ vor vielen Jahren,bei einer WDR3 Reform ( http://www.die-radioretter.de ).
    Von den WDR-„Verantwortlichen“ wurden sie nur als „die Radiorentner“ verspottet.
    Ein Hebel fällt mir daher leider auch nicht ein.

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  • portfuzzle

    An diese Aktion kann ich mich gut erinnern und ich hatte auch unterschrieben. Ehrensache.

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