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1967 veranstaltete Claude Nobs in Montreux zum ersten Mal ein Jazzfestival. Die Veranstaltung wurde bald legendär. Nicht alle Musiker aber stehen in Montreux im Licht.
Das Publikum wurde immer ungeduldiger. Claude Nobs hatte es wieder einmal zu gut gemeint, auch mit seinem Sinn für Summits, als er 1985 die beiden Bossa-Nova-Stars João Gilbert und Antonio Jobim nach Montreux eingeladen hatte. Die Frage nämlich, wer Bossa Nova erfunden habe, machte die beiden Brasilianer zu Rivalen. Deshalb war nun keiner bereit, als Erster die Bühne zu betreten und sich quasi als Einheizer des andern zu verausgaben.
In der Not bat Nobs José Barrense-Dias, das Publikum durch ein Extrakonzert zu beruhigen. Barrense-Dias, ein in der Westschweiz domizilierter Musiker aus São Paulo, war oft zu Gast am Festival. Wissend um Claude Nobs‘ Macht, Karrieren zu beschleunigen, hatte er ihn wiederholt um ein Engagement gebeten. Immer aber hiess es, das Programm sei voll. Nun als Lückenbüsser einzuspringen, empfand er als Affront. Er habe seine Instrumente nicht dabei, versuchte er sich herauszureden. Nobs aber liess die Gitarren per Taxi herbeifahren und nötigte Barrense-Dias förmlich zum Auftreten. Als dieser die Bühne betrat, wurde er gnadenlos ausgebuht. Dann aber gelang es, die ungeduldigen Gilberto- und Jobim-Fans zu besänftigen. Sein Konzert hätte Barrense-Dias als grossen Erfolg verbuchen können. Stattdessen fühlte er sich danach ausgenutzt, niedergeschlagen. Damals habe er eben gelernt: Wichtiger als die Karriere seien für ihn Frau und Tochter….
© NZZ, 28.6.2016