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Milestones: Archie Shepp und Jasper van’t Hof: „Mama Rose“ (1982)

Am 5. Februar 1982 traten der US-amerikanische Saxofonist Archie Shepp und der niederländische Keyboarder Jasper van’t Hof im Jazzclub Villingen auf, anlässlich des 20-jährigen Gründungsjubiläums dieses Szene-Treffpunkts im deutschen Schwarzwald. Mit Albert Hosp.

Archie Shepp, damals 44 Jahre alt, zählte zu den Wegbereitern des Avantgarde-Jazz. Er hatte bei Cecil Taylor gespielt und an John Coltranes Free-Jazz-Orchester-Opus „Ascension“ mitgewirkt. Wie viele afroamerikanische Musiker/innen verband er die Freiheit des Jazz mit dessen Wurzeln in Afrika und den Bestrebungen der Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre.

Und das nicht nur in klingender Gestalt: Im Gedicht „Mama Rose“ zollte Archie Shepp einerseits dem ermordeten Malcolm X Tribut und schlug andererseits eine Brücke zur eigenen Geschichte, in Gestalt seiner Großmutter, genannt „Mama Rose“. An jenem 5. Februar 1982 im Jazzclub Villingen mutierte das Gedicht zu einem hinreißenden, ekstatischen Free-Jazz-Song. Jasper van’t Hof unterlegte den außergewöhnlichen Vortrag mit beständig pulsierenden Ostinato-Figuren, die gleichzeitig den Beat und das mechanische Ticken einer Uhr verkörperten. Der 34-jährige Keyboarder rollte nicht einfach nur einen Klangteppich aus, seine Sounds bedeuteten für das entfesselte Saxofon-Spiel Archie Shepps einen ungewöhnlichen, stimulierenden Widerpart.

„Mama Rose“ war es auch, die dem so entstehenden, legendären Duoalbum zu seinem Namen verhalf. Dieses hat indessen auch andere Gänsehaut-Momente zu bieten: Wenn im Eröffnungsstück „Contracts“ nach zweieinhalb Minuten ein unwiderstehlicher Groove einsetzt, knapp bevor Archie Shepps Saxofon zum ersten Mal auftaucht, dann zählt dies bis heute zu den großen Momenten der Jazzgeschichte.



© Ö1, Milestones, 10.11.2021

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