Musiktipps

Donaueschinger Musiktage 2022 „Die Nostalgie des Neuen“. Von Max Nyffeler

Die letzte Ausgabe der Donaueschinger Musiktage unter der Leitung von Björn Gottstein zeigt eine Neue Musik, die in Erinnerungen Auswege aus der Zukunftslosigkeit sucht.

ür die Berliner Komponistin Iris Ter Schiphorst ist die Party vorbei. Während Kultursenator Lederer, anstatt sich für eine korrekte Abwicklung der demokratischen Wahlen einzusetzen, schon an morgen denkt und sich der woken Szene der Hauptstadt anschmiegt, stimmt sie in der Komposition „HYPER-DUB“ über einen Text von Dirk von Lowtzow einen Abgesang auf die erlebnishungrigen Achtzigerjahre an, die sie noch einmal mit dumpf-proletarischem Rebellensound beschwört. Eine gnadenlos ehrliche Selbstbefragung, die an die Satire des linken Liedermachers Franz Josef Degenhardt von den APO-Großväterchen erinnert: „Ja und dann ka­men die kälteren Tage. Mancher blieb da in seinem Haus, dachte an heißere Zeiten, erzählte paar Geschichten daraus.“

Eine Tendenz zur Rückschau zog sich wie ein heimliches Motto durch das Programm der Donaueschinger Musiktage. Im traditionellen Schlusskonzert des SWR-Sinfonieorchesters beschäftigte sich Arnulf Hermann mit „Ein Kinderlied (Dämonen)“ auf eine etwas didaktische Weise mit der beschädigten deutschen Volksliedtradition, wobei seine Idee, mit rotierenden Lautsprechern das unheimliche Moment zu verstärken, in der begrenzten Raumakustik verpuffte. Peter Ruzicka griff in seinem Violinkonzert „Eingedunkelt“ einmal mehr auf die Lyrik seines Lieblingsdichters Paul Celan zurück; mit verinnerlichtem Spiel trug Carolin Widmann maßgeblich zum melancholisch verhangenen Erinnerungstonfall bei.



https://youtu.be/S0tiaviDIms

© FAZ, Feuilleton, 21.10.2022

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