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Filmdienst: Hildur Guđnadóttir – Entsättigte Klangfarben

Ein Porträt der eigenwilligen Musik der isländischen (Film-)Komponistin Hildur Guđnadóttir. Von Jörg Gerle.

Jenseits großer Orchesterklänge und eingängiger Melodien hat sich die Isländerin Hildur Guđnadóttir in den letzten Jahren zu einer der aufregendsten internationalen Filmkomponistinnen entwickelt. Für ihre Musik zu „Joker“ wurde sie mit einem „Oscar“ geehrt; aktuell ist ihre Arbeit für Kenneth Branaghs „A Haunting in Venice“ zu hören. Ein Porträt.



Wie klingt das Ende des Sommers? Wäre man in der Spätromantik eines Frederick Delius, würde die Sonne bereits nachmittags sehr tief stehen und die welk-roten Blätter würden mit subtilem Aufwand der gesamten Streicher-Besetzung von Dur nach Moll schwelgend-langsam in einen pittoresk gelegenen See in Yorkshire segeln …

Musik vermag eine Menge, wenn man sie entsprechend orchestriert. Auch bei Hildur Guđnadóttir spürt man Wehmut in ihren allenfalls vom Titel her an Programmmusik erinnernden Klängen. Die vier gesanglosen „Songs“ hat sie für Jóhann Jóhannssons Kurzfilm „Das Ende des Sommers“ zusammen mit dem Regisseur, ihrem langjährigen Freund, 2015 komponiert; außerdem ist sie im Soundtrack mit ihrem Lieblingsinstrument, dem Cello, auch als Musikerin zu hören. In Island, der Heimat von Guđnadóttir und Jóhannsson, wo sie am 4. September 1982 geboren wurde, geht der Sommer anders zu Ende als im mild-romantischen England. Das zeigen allein schon die harten Kontraste von Jóhannssons auf 8mm gedrehten Schwarz-weiß-Bildern von sich zusammenrottenden Pinguinen oder dem schon von Beginn an dunklen und dann langsam schwarz werdenden Sonnenuntergang, der den Film beschließt. 


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© Filmdienst, 15.9.2023

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