Musiktipps

„Für gequälte Herzen und feuergeläuterte Seelen“

Von Berthold Seliger (nd). Was hören, zum 200. Geburtstag von Anton Bruckner? Eine kleine Sichtung der Sinfonien und Aufnahmen.

Welche Bruckner-Sinfonien sollte man zum 200. Geburtstag des Komponisten unbedingt hören oder gehört haben? „Alle Neune“, wie bei Beethoven oder Mahler? Nur, wenn man die eigene Zählung des Komponisten akzeptiert, der sowohl seinen ersten sinfonischen Versuch, die sogenannte Studiensinfonie, als auch die sogenannte „Nullte“ (die zwischen der Ersten und Zweiten entstanden ist) annulliert hat. Also gibt es doch eher elf Sinfonien. Und dann gibt es von einigen auch noch mehrere unterschiedliche Fassungen, womit Bruckner oft auf die Bewertung durch andere Musiker, Kritiker oder das Publikum reagierte. Denn er war ein ängstlicher und gehemmter Künstler und litt zeitlebens unter Minderwertigkeitsgefühlen.

Heute kommt man zunehmend zu dem Schluss, dass die Erstfassungen, also die ursprünglichen Kompositionen, gerade wegen ihrer größeren Radikalität, Wildheit oder stupenden Unmittelbarkeit zu bevorzugen sind, nicht zuletzt, weil Bruckner ursprünglich auch wenig Rücksicht auf die Aufführungsbedingungen seiner Zeit nahm. Gerade bei der Vierten ist die Urfassung des Werks essenziell, wenn man den Sinfoniker Bruckner und seine Modernität begreifen will.



© nd, Feuilleton, 3.9.2024

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