Detlef Diederichsens Böse Musik: Die Zukunft der KI im Musikjournalismus

Interviews zu machen, habe ich immer gehasst. Außenstehende sehen darin gern den glamourösen Höhepunkt des Musikjournalismus, aber in Wahrheit ist es eher so, dass sich bislang geheiligte Groß­künst­le­r*in­nen als maulfaule Miesepeter entzaubern, dass sie nur über ihr aktuelles Produkt sprechen möchten und nicht über ihre Großtaten vor zwanzig Jahren und dass auch untadelige Men­schen­freun­d*in­nen mitunter schlechte Laune haben.

Am aller schwierigsten waren aber immer die Gespräche mit Newcomer*innen, die gerade mal zwanzig Jahre alt sind und nun ihr Debüt produziert haben. Über dieses Werk und die seine Entstehung begleitenden Ereignisse und Anekdötchen ist schnell alles gesagt – wie fülle ich die restlichen 25 Minuten meines 30-minütigen Interviewslots?

Aber der Beruf des Musik-„Journos“ ist ja ohnehin dem Untergang geweiht, und bald werden wir alle ersetzt durch künstliche Intelligenzen. Oder nicht? Der Streaming-Service „Tidal“ beauftragte kürzlich den britischen Musikjournalisten Simon Reynolds, dieser Frage nachzugehen. Ergebnis: Entwarnung. Sein Auftrag an ChatGPT, den Text im Reynolds-Stil zu verfassen, zeigte ihm, dass die KI noch nicht mal überzeugend einen vorgegebenen Duktus imitieren kann!



Ist doch klar, dass diese Genies dann auch interviewt werden müssen, oder? Also.

Detlef Diederichsen, Journalist und Musiker, lebt in Hamburg.

© TAZ, Kultur, 25.3.2023

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