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Ernst von Siemens Preisträger 2023: George Benjamin im Porträt

„Als Komponist ist es heute wirklich schwierig ein Stück zu beginnen, weil wir eine enorme Freiheit haben. Ich bin sehr froh über diese Freiheit, aber es ist auch schrecklich, so viele Möglichkeiten zu haben.“ Sagt George Benjamin. Von Chantal Nastasi.

Als einer der letzten Schüler von Olivier Messiaen kam er als 16-Jähriger nach Paris, ging später nach Cambridge, um dort weiter Komposition zu studieren.

Komponist und Dirigent

Heute ist George Benjamin nicht nur ein gefragter Komponist, sondern auch ein vor allem für die Aufführung zeitgenössischer Werke geschätzter Dirigent. Er arbeitet eng zusammen mit dem Ensemble Modern, dem Mahler Chamber Orchestra, der London Sinfonietta und mit größeren Orchestern wie dem Concertgebouw Orchester Amsterdam, dem Cleveland Orchestra, den Berliner Philharmonikern und natürlich auch dem NDR Elbphilharmonie Orchester. Über seine Arbeit sagt George Benjamin: „Wenn ich komponiere, höre ich keine Musik, dirigiere also auch nicht. Ich vermeide Musik geradezu, außer die in meinem Kopf. Das ist sehr schade. Aber ich lese sehr viel. Für eine Opernkomposition lasse ich mich zum Beispiel 100 oder 200 Romanen inspirieren. Und wenn ich gar nichts zu Papier bringe, lese ich ein paar Seiten. Dann bin ich wieder inspiriert, eigene Erzählstränge und Strukturen zu formen.“ Großen Erfolg hatte George Benjamin mit seinen Opern „Into the little hill“ und „Written on skin“. Gerade hat er eine neue Oper fertig gestellt, die er im Juli in Aix-on-Provence uraufführen und selbst dirigieren wird: „Picture a day like this“.

Phasen großer Energie und regen Austausches und Phasen des „leisen“ Sich-Versenkens

Doch um komponieren zu können, muss George Benjamin für mehrere Monate seine Dirigiertätigkeiten unterbrechen. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen und die Arbeitsweisen: „Ich hab schon in jungen Jahren dirigiert, aber ich sehe mich vor allem als Komponist. Ich bin kein komponierender Dirigent, sondern ein Komponist, der ab und zu dirigiert. Aber ich brauche diese Phasen auch, in denen ich viele Kontakte habe und viel reise. Das ist inspirierend. Wenn ich dirigiere, muss ich unglaublich schnell denken: Wie ich mit den Musikern interagiere, um das Beste und aus mir selbst herauszuholen. Das sind Entscheidungen, die in Mikrosekunden getroffen werden. Komponieren ist komplett anders. Ich muss mich dann mit großen Fragen auseinandersetzen. Und um sie beantworten zu können, um mit dem neuen Stück beginnen zu können, muss ich mich tief in mich selbst versenken. Es ist ein langer Prozess des Probierens und Scheiterns. Ein einsamer, manchmal dunkler Weg, der wenig mit dem alltäglichen Leben zu tun hat. Ich bin dann für eine bestimmte Zeit ein Eremit.“

Am 26. Mai bekommt George Benjamin in München den Ernst von Siemens Musikpreis verliehen. Er wird an dem Abend auch seine eigenen Werke dirigieren. Zwei Interviews mit George Benjamin und verschiedene Werke in der heutigen Sendung geben einen Einblick in George Benjamins kreatives Schaffen.



© NDRKultur, Neue Musik, 16. Mai 2023

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