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Isang Yun und Conlon Nancarrow im Doppelporträt

Heute Abend 20.03 Uhr Deutschlandradio Kultur „Klavier oder nicht“

Isang Yun und Conlon Nancarrow im Doppelporträt

Musik im Exil – Werke von Einzelgängern: Die beiden Komponisten Isang Yun und Conlon Nancarrow lebten in jeder Hinsicht weit voneinander entfernt, und dennoch passen ihre Werke erstaunlich gut zusammen in ein Konzertprogramm. In der Reihe „Musica Nova“ in Leipziger Gewandhaus spielen Steffen Schleiermacher, Wolfgang Heisig u.a.

Korea und Mexiko sind die Länder, die der Pianist und Komponist Steffen Schleiermacher an diesem Abend im Mendelssohn-Saal des Leipziger Gewandhauses musikalisch bereist. Auf dem Programm stehen Werke von Isang Yun (1917-1995), dessen dramatisches Leben sich zwischen Nord- und Südkorea sowie dem damaligen West-Berlin abspielte. Gespiegelt wird diese Musik im Werk von Conlon Nancarrow (1912-1997), einem Komponisten aus den USA, der aufgrund seiner kommunistischen Neigungen nach Mexiko emigrierte. Beide gehören der gleichen Generation an, beide waren markante Erscheinungen in der Musik des 20. Jahrhunderts, standen aber nie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie lassen sich keiner Strömung zuordnen.

Das Renommee Nancarrows verdankt sich der Tatsache, dass er in einem absurd aufwendigen Verfahren fast ausschließlich für Selbstspielklavier komponierte – allerdings analog und sozusagen „unplugged“. Zur Wiedergabe seiner Musik benötigt man ein Zusatzinstrument wie etwa die Phonola, ein Kasten mit 88 Holzfingern, den man an die Tastatur eines normalen Konzertflügels heranschiebt. Die Phonola wird mit Lochstreifen gesteuert und drückt, je nach Programmierung, zum rechten Moment die rechte Klaviertaste herunter – wenn der Phonola-Spieler sie zu bedienen weiß. Wolfgang Heisig gehört zu den wenigen, die dieses historische Instrument beherrschen.

Isang Yun wiederum mied das Klavier, weil seine asiatischen Klangvorstellungen in eine andere Richtung gingen. In der breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst aus Westdeutschland entführt und in einem Schauprozess wegen angeblicher Spionage verurteilt wurde. Das stalinistische Regime Nordkoreas erkannte das propagandistische Potential des Falls, was zu dem merkwürdigen Umstand führt, dass Yun noch heute in Nordkorea mehr geschätzt wird als im Süden – Musik der Freiheit im Brennpunkt der Unfreiheit.

 

Gewandhaus Leipzig, Mendelssohn-Saal

Aufzeichnung vom 20. Januar 2016

Isang Yun: „Garak“ für Flöte und Klavier
 
Conlon Nancarrow: Studies for Player Piano # 47 & # 37
 
Isang Yun: Intermezzo für Violoncello und Akkordeon
Fünf Stücke für Klavier
 
Conlon Nancarrow: Study for Player Piano # 20
  
Isang Yun: Etüde für Flöte solo
  
Conlon Nancarrow: Study for Player Piano # 36
  
Isang Yun: „Nore“ für Violoncello und Klavier

 

Ralf Mielke, Flöte
Christian Giger, Violoncello
Claudia Buder, Akkordeon
Wolfgang Heisig, Phonola
Steffen Schleiermacher, Klavier und Moderation