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„Ivry-sur-Seine“ Hörspiel von Iain Chambers

Massive Betonbauten, ungeschönt, funktional, modular. Aber auch voller sozialer und gesellschaftspolitischer Visionen. Der Brutalismus ist die wohl radikalste und umstrittenste Architekturströmung des letzten Jahrhunderts.

Der kommunistisch geprägte Pariser Vorort Ivry-sur-Seine wurde Anfang der 1960er Jahre zum städtebaulichen Labor: Das Architektenpaar Renée Gailhoustet und Jean Renaudie schuf Wohnraum und orientierte sich an den damals modernen Ideen des Brutalismus. Der Klangkünstler Iain Chambers hat den Ort mit seinen Mikrofonen erkundet. Für sein Hörstück lässt er Türen erklingen, Treppengeländer vibrieren, und er nutzt die Resonanzschwingung von Sichtbeton. Entstanden ist eine synästhethische Komposition, die über die Ohren taktile, visuelle und physische Körpererfahrungen vermittelt.

Ivry-sur-Seine wurde mit dem Prix Palma Ars Acustica 2021 der European Broadcasting Union ausgezeichnet. „Iain Chambers hat es geschafft, die brutalistische Architektur im Medium des Klangs und im menschlichen, soziologischen Kontext neu zu denken und dabei eine kompositorische Logik höchsten Grades beizubehalten. Ivry-sur-Seine ist sowohl Konfrontation − physische, taktile, auditive, emotionale Konfrontation − mit der lebendigen Umgebung, als auch großartige musique concrète in jedem Moment des Stücks.“ (Aus der Jurybegründung)



Ivry-sur-Seine
Von Iain Chambers
Komposition und Realisation: Iain Chambers
WDR 2020

Iain Chambers, Komponist und Musikproduzent. 2019 Gründung des Plattenlabels Persistence of Sound für musique concrète, fieldrecordings und elektroakustische Musik, u.a. Concrete Paris (2021). Lobende Erwähnung beim Prix Europa in der Kategorie Radio Fiction 2012 für Use it or Lose it (zusammen mit Peter Blegvad, BBC 2011).

© Bayern2, hör!spiel!art.mix, 18.2.2022

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