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Ornettology Ode(n) an die Musik des Saxophonisten Ornette Coleman (1930-2015) 31.10.2015 01.05Uhr Deutschlandfunk mit Karl Lippegaus

Sein Drummer Ed Blackwell erinnert sich.

„Als ich Ornette zum ersten Mal hörte, spürte ich sofort das Glücksgefühl, das er erzeugte. Das war eines der Hauptmerkmale seiner Musik, was ich sehr mochte. Sie war so frei, obwohl er so viele schreckliche Erfahrungen hinter sich hatte – wegen der Art, wie er spielte. Ich konnte nicht verstehen, warum die Leute das nicht ´raus hörten.“

Ornette Coleman erzählt aus seinem Leben.
„Ich wurde in Texas geboren und kam in den Knast, weil ich lange Haare hatte, und man nannte mich einen Homosexuellen, und ich hab’ so viel durchgemacht, wissen Sie, und ich versuchte immer nur was zu finden, an das ich wirklich glauben konnte, Freiheit.
Ich ging immer irgendwohin, wo ich dachte, da würde man mich akzeptieren und fühlte mich in den Arsch getreten. Ich dachte, es geht doch nur um Musik, die lassen mich schon in Ruhe. Ich war Vegetarier vor der Zeit, all so was, 1949 hatte ich schulterlange Haare und trug einen Bart, und die Bullen sperrten mich ein und schnitten mir die Haare ab, ich ließ sie wieder wachsen und ging nach Kalifornien, und dort sagten sie mir, ich sollte strippen – ich war wie ein Eremit. Don Cherry erzählt, ich sei immer mit einem langen Mantel ´rumgelaufen. Aber ich fand mich nicht schräg, ich sah mich als Individualist, der keinem im Weg stand. (…)
Als ich keinen Ausweg mehr fand und fast am Verhungern war, schnitt ich mir die Haare kurz und heiratete 1954 eine Frau, eine Poetin, Jayne Cortez, und ich sagte mir, vielleicht kann ich die Sachen jetzt so anpacken, wie man’s eben macht in Amerika – aber besser lief’s da auch nicht.
(…) Ich jobbte als Liftboy, Houseboy, Pförtner, Babysitter, und ich trat für eine Weile den Zeugen Jehovas bei, als mein Sohn Denardo zur Welt kam.“
Als er im Warenlager eines großen Kaufhauses in Los Angeles, bei Bullock’s, jobbte, 1954 war das, ging er mal in der Mittagspause raus die Straße runter und kam an einer Galerie vorbei. Da sah er ein Gemälde von einer sehr bourgeoisen, wohlhabend aussehenden weißen Lady. Sie saß mit einem sehr traurigen und einsamen Gesichtsausdruck; Tränen im Gesicht; und dabei hatte sie alles, was man sich nur wünschen kann. Ornette sagte sich, „Komisch, aber ich kann mich reindenken in dieses Bild.“ An dem Tag komponierte er, inspiriert durch das Porträt, einen seiner berühmtesten und am häufigsten gecoverten Songs, „Lonely Woman“.
In der fünfstündigen Radionacht Jazz im Deutschlandfunk erzählt Karl Lippegaus über Ornette Coleman und stellt viele handverlesene Versionen seiner Kompositionen vor.