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Release Date: 17.5.2024 „Elektronische Spielweisen“

Musik von Ana Dall’Ara-Majek, Wolfgang Seidel, Church Andrews & Matt Davies, Ludwig Berger.

Der modulare Synthesizer Buchla erlebt seit einiger Zeit eine Renaissance. Ana Dall’Ara-Majek hat ihn als Quelle für ihre Arbeit genutzt. Ihr Zyklus „Radiolaria“ ist dem Leben und den Strömungen im Meer gewidmet. Dass der „Ton Steine Scherben“-Schlagzeuger Wolfgang Seidel auch elektronische Musik komponiert bzw. damit experimentiert, auch mit einem Buchla, ist mir neu und umso größer die Überraschung, hier seine Experimente zu hören. Die musikalische Nähe zu seinem Freund Conrad Schnitzler ist nicht zu überhören. Church Andrews und Matt Davies loten die Möglichkeiten des Zusammenspiels von Schlagzeug und Synthesizer aus, was stellenweise sehr populär klingt. Dennoch überwiegt der experimentelle Anteil. Ein wichtiges Element in der Musik von Ludwig Berger ist die synthetische Stimme, die uns Geschichten über das Ökosystem und das Aussterben von Arten erzählt. Seltsame Sphären erklingen.



„Radiolaria“ ist ein Zyklus elektroakustischer Werke mit Klängen aus dem Buchla 200, dem legendären modularen Synthesizer aus den 1970er Jahren. Ich habe im Sommer 2022 während eines Aufenthalts im Elektronmusikstudion (EMS) in Stockholm (Schweden) eine Reihe von Improvisationen auf diesem Instrument aufgenommen, die ich dann als Rohmaterial verwendet habe.

Der Zyklus basiert auf dem Leben im Meer, insbesondere dem Plankton, das aus einer großen Vielfalt mikroskopischer und makroskopischer Tier- und Pflanzenarten besteht, die von den Wasserströmungen mitgerissen werden.

Mein Ziel mit dem Buchla 200 war es, eine Sammlung von Klangfarben“ zu schaffen, die die verschiedenen Arten des Planktons repräsentieren sollten. Die ursprüngliche Natur der modularen Synthesewellen spiegelt die Einfachheit der einzelligen Organismen in den Ozeanen wider. Ich experimentierte auch mit dem Raum, indem ich mit dem analogen AKG BX20 Federhall des Studios experimentierte, um die Bewegungen der Wellen und die allgegenwärtigen Unterwasserströmungen darzustellen.

Die 8 Stücke des Zyklus „Radiolaria“ wurden 2022 im Elektronmusikstudion (EMS) in Stockholm (Schweden) und 2023 im Studio Blue Spider in Montréal (Québec) realisiert. Vielen Dank an das gesamte EMS-Team. Die Realisierung dieses Werkes wurde durch den Conseil des arts et des lettres du Québec (CALQ) ermöglicht. ©Text: Ana Dall’Ara-Majek.



Geboren im Winter 1949 im grauen und düsteren Berlin der Nachkriegszeit, hatte WOLFGANG SEIDEL seine erste Begegnung mit elektronischen Klängen im Kino: Die Musik zu Forbidden Planet von Louis und Bebe Barron klang wie das Versprechen einer hellen, aufregende Zukunft … aber in den 1960er Jahren war es für junge Musiker das Größte, in einer Rockband zu spielen, und da die Freunde um ihn herum bereits alle Gitarre spielten, entschied sich Seidel für das Schlagzeug und war später Mitbegründer der legendären deutschen Anarchoband Ton Steine Scherben. Etwa zur gleichen Zeit besuchte SEIDEL regelmäßig das Zodiak Free Arts Lab, die Geburtsstätte der sogenannten „Kosmischen Musik / Berliner Schule“ (Tangerine Dream, Cluster, Manuel Göttsching etc.), und schloss enge Freundschaft mit Conrad Schnitzler.

Als wir uns auf einer Geburtstagsfeier kennenlernten, erzählte mir Wolfgang von seinen elektronischen Stücken – ich war sofort interessiert – also durchstöberte er sein Archiv und schickte mir eine Auswahl von Stücken. Diese basieren oft auf älteren Ideen und Skizzen, die er während der Pandemie fertiggestellt hatte, als es keine Konzerte zu spielen gab. Das Ergebnis ist „Friendly Electrons“ – eine Sammlung von 18 Stücken, inspiriert von Schnitzlers Collagetechnik und Seidels eigenen Erfahrungen mit Improvisation. Mit Ausnahme von 2 Stücken, die tatsächlich komponiert sind, gab es keine festen Ideen – einfach von vorne anfangen und sehen, was passiert. Das Ergebnis aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und die Tracks gegebenenfalls verfeinern. Während elektronische Musik oft als dystopisch angesehen wird, spiegelt der Albumtitel Seidels positive Einstellung zur Moderne wider, seine Elektronen sind also von freundlicher Art! © Text: Thomas Herbst.



Der Produzent und Komponist Church Andrews (alias Kirk Barley) und der Schlagzeuger Matt Davies kehren zurück, um die äußeren Grenzen des Rhythmus zu erforschen, und zwar in einer sechs Tracks umfassenden Suite, die zugleich kantig und flüssig, natürlich und systematisch ist. Durch die Beschränkung auf einen Synthesizer und ein Live-Schlagzeug haben die beiden die Kreativität in der Begrenzung gefunden und einen kompositorischen Dialog zwischen den Klangfarben von Kirks Produktionen und Matts perkussiver Praxis entwickelt.
Yucca erinnert an die primitive und doch komplexe Form der Pflanze, von der es seinen Namen hat. Die Tracks sind um rhythmische Verhältnisse der Fibonacci-Folge herum aufgebaut. In Anlehnung an die spiralförmigen Muster in der Natur entwickelt sich jeder Track wie eine eigene zelluläre Struktur, von der lebendigen Syntax von ‚Chirp‘ und der dekonstruierten Ebbe und Flut von ‚Ferns‘ bis hin zum Titeltrack des Minialbums, wo knackige Grooves wie Glühwürmchen zwischen modulierter Elektronik umherfliegen.
„Ich habe mich immer von Musik inspirieren lassen, die komplex ist, ohne komplex zu klingen“, erklärt Matt. Inmitten der komplizierten Phrasierung bewahrt er sich einen Sinn für Schwung und nennt die Schlagzeuger Roy Haynes und seinen Enkel Marcus Gilmore als Inspirationen, ebenso wie Sabar-Trommler aus dem Senegal und Mridangam-Trommeln aus Südindien. © Text: Label



Ludwig Bergers „fiktives“ Debütalbum Garden Ediacara entfaltet sich als musikalische Öko-Fiktion, die den Hörer mit synthetischen Vocals durch ein spekulatives Ökosystem führt. Das Album ist durchdrungen von Erzähltechniken aus Science-Fiction und Fantasy und verbindet melodisches Songwriting mit elektroakustischem Sounddesign.

Musik ist eine Form des Weltenbaus. Ich liebe es, klangliche Charaktere zu entwickeln und sie in ein kulturelles Ökosystem mit einzigartigen Texturen, Akustik und Atmosphären. Jeder Song bildet eine andere Landschaft, durch die uns ein stimmlicher Charakter führt und versucht, uns ihre Geschichten zu erzählen.
— Ludwig Berger

Im Mittelpunkt des Albums stehen ein post-menschlicher, nicht-binärer Death-Metal-Stimmensynthesizer, Physical-Modeling-Instrumente und mikroskopische Feldaufnahmen von Pflanzen, Insekten sowie von aquatischem und geologischem Leben. Mit impressionistischen Strichen erschafft Ludwig Berger mit glasigen Klangfarben und übermenschlichen Stimmen lebendige Welten, die den Hörer durch emotional mehrdeutiges Terrain führen und nahtlos zwischen Momenten von Intimität und Irritation, Melancholie und Verspieltheit oszillieren. © Text: Label

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