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Release Tipp: Ogives – La mémoire des orages / Sub Rosa

Ogives präsentieren uns eine gewagte Mixtur aus Gesang und Chorälen, Jazzanklängen, Rockpassagen und Elektronik. Ein Konzeptalbum, das kein Geringerer als Steve Albini am Mischpult den letzten Schliff gegeben. Kurz: Anhören !



Kammermusik, laute Riffs, reine Chöre, elektronische Texturen, OGIVES ist eine Myriade von Kontrasten. Die klassischen Kompositionstechniken wie Tintinnabuli, Polytonalität und Polyphonie verflechten sich mit dem Post-Rock-Erbe, während die elektronischen Texturen der modularen Synthesizer den reinen klassischen Frauengesang umarmen.
Darüber hinaus findet die Musik von OGIVES ihre Inspiration in der alten europäischen Musik und in der ihr innewohnenden Spiritualität. Byzantinische Gesänge, barocke Kontrapunkte, altrömische Monodien – all das sind Elemente im Hintergrund des Kompositionsstils der Band.



Das Album beginnt mit einem Glockenruf, der eine spirituelle Zeremonie heraufbeschwört, und leitet die Bläsersektion ein, gefolgt von einem Chor, der an mittelalterliche Gesänge erinnert und von elektronischen Texturen getragen wird, bis die beiden Schlagzeugsätze und die Elektroband ausbrechen. Nachdem eines der Hauptmuster des Albums geschlagen wurde, endet der erste Song mit einem dichten rituellen Chor und Schreien. Dann folgt ein langer und ruhiger Moment, in dem die beiden Sängerinnen die Langsamkeit des Donners loben.


OGIVES

Die B-Seite besteht aus zwei 10-minütigen Liedern mit einem rockigen Touch und melancholischem Gesang, der von den frühen Siebzigern inspiriert ist. Seite C besteht aus einer epischen 20-minütigen Entwicklung, die mit einem Kammermusikensemble und einem klassischen Frauenduo – Reinheit und Luft – beginnt, bis eine Lawine synthetischer Geräusche auftaucht, die von einem druckvollen Schlagzeugmuster getragen wird, und scharfe elektronische Sequenzen treiben es dann in eine epileptische Trance.

Die letzte Seite bringt den Hörer wieder dorthin zurück, wo alles begann. Die Elemente vom Anfang kehren zurück, allerdings mit anderen Arrangements. Ein dichtes Bass-Riff, die Rückkehr der beiden Schlagzeuge, ein schreiendes Saxophon-Solo, ein asymmetrischer Stammes-Groove, ein zeitgenössischer A-cappella-Chor und schließlich ein episches elektrisches Finale… und die Dunkelheit beherbergt das Licht.
Die Doppel-LP bietet lange und dichte Tracks, die symmetrisch zu einem 75-minütigen Werk angeordnet sind. Diese intensiven Stücke enthüllen raffinierte melancholische Bilder über das Vergehen der Zeit und die Aussicht auf den Tod.
La mémoire des orages (Das Gedächtnis der Stürme) wurde in Belgien aufgenommen und von Steve Albini bei Electrical Audio mit den Bandmitgliedern gemischt. Albini verlieh dem Album einen unverwechselbaren Klangcharakter, bei dem die Lautstärke nicht an Klarheit verliert und der natürliche Dynamikbereich erhalten bleibt, um ausgeprägte und reiche Kontraste zu garantieren.© Alle Texte: Label



Eigentlich sollten Ogives im anstehenden Review der Release Dates dabei sein. Aber nach nochmaligem Hören entschied ich mich, wie ihr es sehen könnt, anders. Ich habe einfach die Befürchtung, dass dieses tolle Album in der Anzahl der Neuveröffentlichungen untergeht und das wäre mehr als schade.
Allein das Wagnis, so ein komplexes und anspruchsvolles Album heute herauszubringen, muss entsprechend gewürdigt werden. Ich will hier gar nicht aufführen, woran mich ihre Musik alles erinnert. So denke ich lieber an meine Tage in Belgien und die Besuche von Gent, Antwerpen usw. Da geht man quasi durch Freiluftmuseen. Und trotzdem wirkt alles modern und zeitgemäß. Die jungen Menschen sind, fast immer, unglaublich freundlich und viele betreiben eigene Läden, Restaurants. Abseits der großen Straße gibt es unglaublich viel zu entdecken!

Ogives ist ein in Lüttich entstandenes Ensemble aus neun Musikern (die zwei Schlagzeuge, Blasinstrumente, Gitarren, Synthesizer und Cello zusammenbringen), das von dem Komponisten/Multiinstrumentalisten Pavel Tchikov und dem Schlagzeuger/Dichter Alexis Van Doosselaere angeführt wird.

Der rote Faden dieses Albums ist die Zeit. Nostalgie, Erinnerungen an die Vergangenheit, Verlust und die Idee der verrinnenden Zeit vermischen sich in kontemplativen Rhythmen und Texten. Es sind existenzielle Fragen, die hier gestellt werden, ohne dass wir darauf Antworten erhalten. Es ist eine Aufforderung welche Ogives an uns stellt, uns selber darüber Gedanken machen.

Ein mehr als überzeugendes Debüt und für mich geht ihr Gesamtkonzept voll auf. Ich hoffe, dass ihr euch die Zeit zum Anhören nehmt.

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