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Textura Release Tipp: Stefan Goldmann: Alluvium / Macro

Ich habe die Musik von Stefan Goldmann schon oft gehört, bin aber nie so richtig „warm“ damit geworden. Jetzt habe ich eine Rezension auf Textura entdeckt und dieser sehr gute Text beschreibt, was es mit der Musik von Stefan Goldmann auf sich hat. Und mit der richtigen Lautstärke funktioniert diese Musik für mich ganz gut. Also probiert es mit der richtigen Lautstärke. Viel Glück.


Mit Alluvium setzt der Berliner Produzent Stefan Goldmann (geb. 1978) seine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des experimentellen Techno fort. Diese neueste Erkundung der „geschichteten Asymmetrie“ zeigt, was passiert, wenn mehrere unregelmäßige Muster zu ineinandergreifenden, mehrschichtigen Bauwerken kombiniert werden. Das Ergebnis ist ein seltsam fesselnder, mutierender polyrhythmischer Techno, dessen Musik tangential mit der Form verbunden ist und sich gleichzeitig von ihr entfernt. Mit dem Dutzend Tracks des Albums erweist sich Goldmann einmal mehr als einer der nachdenklichsten Vertreter des Genres, jemand, der nicht daran interessiert ist, einfach nur hinzuzufügen, was schon einmal gemacht wurde, sondern es zu unterwandern, um etwas Fremdes und Frisches zu schaffen.

Wie seine anderen Alben der Reihe, Veiki (2019) und Vector Rituals (2022), passt Alluvium perfekt zu Macro, dem Label, das er und Finn Johannsen 2007 als Laboratorium für, wie sie es ausdrücken, „radikale und spielerische Innovation“ gegründet haben. Goldmann behandelt jedes der zwölf Stücke als einen Ort der Erkundung, während er gleichzeitig jedes Stück in einem durchdringenden rhythmischen Design erdet. Das untere Ende der Musik besitzt einen immensen Schub, die oberen Schichten sind ein ständig wechselndes Panorama aus glitzernder Elektronik und Tönen. Das eröffnende „Axios“ legt den Grundstein, indem es geduldig auf seinem eindringlichen, fast tribalen Puls aufbaut und Spannung und Vorfreude gleichermaßen maximiert. „Helicon“ und „Drilon“ pulsieren mit hoher Geschwindigkeit, wobei exzentrische Bassdrum-Akzente neben einem Strudel aus flatterndem Dschungelgeschnatter und gyroskopischen Abstrichen intoniert werden.



Das zyklonische „Scylax“ mit seinen entfernten Anklängen an House spielt wie eine krampfhafte Übertragung aus einer fernen Galaxie (Goldmann hat auch einen Sinn für Humor, wie ein kurzes Schlagzeugsolo am Ende des Tracks zeigt). Die epische Weltraum-Supernova „Arda“ ist in stählerne Klangschichten getaucht und lässt erahnen, dass er ein erstklassiger Film-Soundtrack-Komponist sein könnte, wenn er denn wollte. Die Einbeziehung von Hydraulik und anderen industriellen Geräuschen verstärkt den maschinellen Techno-Charakter von „Magoras“, einem Stück, das ebenso gut auf Chain Reaction wie auf Macro zu Hause wäre. Der piepsige 4/4-Groove von „Hebros“ kommt dem Standard-Techno am nächsten, doch auch hier arbeitet Goldmann genug Eigenartiges ein, um sich von der Norm zu entfernen. Seine schillernde Beherrschung des Sounddesigns erreicht ihren Höhepunkt im Lokomotiv-Schlussstück „Scamander“.

Während der gesamten Veröffentlichung ist die Musik sowohl dicht bis zum Zerreißen als auch elastisch und offen für Möglichkeiten. In dieser Hinsicht ist eines der befriedigendsten Dinge an dem Material seine Unvorhersehbarkeit: Während die Tracks klare und eindeutige Identitäten schaffen, sind sie nie statisch, sondern mutieren ständig. Würde Goldmann diese Stücke in einem Berliner Club spielen, wäre das Publikum wahrscheinlich sowohl hypnotisiert als auch sprachlos angesichts eines derartigen Materials, das es völlig in Beschlag nimmt. © Text: Textura.org



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