Um den großen Jazzpianisten ranken sich viele Gerüchte. Zum 100. Geburtstag erscheint eine unveröffentlichte Aufnahme, mit der sein Sohn den Vater rehabilitieren will.
Da gibt es diese Geschichten, die bis heute das Bild von Thelonious Monk prägen. Etwa von jenen Abenden, an denen er stundenlang in der Eiseskälte vor einem Club herumstand und das Haus gegenüber anstarrte, obwohl drinnen längst sein Konzert hätte beginnen sollen. Oder als er bat, Ratten von der Bühne zu verscheuchen, die außer ihm niemand sah. In den seltenen Begegnungen verlangte er Journalisten psychoanalytische Fähigkeiten ab. Während Interviews saß er einfach nur da mit qualmender Zigarette und leeren Augen. Minutenlang. Das bedrückende Vakuum nach behutsam formulierten Fragen durchbrachen höchstens gekrächzte Silben oder kryptische Satzbrocken wie etwa „Die Stille ist der schrillste Ton“.
Immer wieder kam es vor, dass er beim Spiel seiner Nebenleute urplötzlich aufstand und ums Piano tanzte; selbstvergessen und tapsig wie ein russischer Zirkusbär. Manchmal krabbelte er unter dem Klavier herum, scheinbar auf der Suche nach irgendetwas, und baute das Pedalbrett ab. Auf der Straße, in Treppenhäusern, auf Flughäfen, in Hotelhallen breitete er die Arme aus und drehte sich schwindelig. „Mad Monk“, wie sie ihn damals nannten, konnte sich tagelang in ein einziges Stück vertiefen, unerreichbar. Er führte Selbstgespräche, blieb 72 Stunden wach, um danach in einen 48-stündigen komaähnlichen Schlaf zu verfallen. Er hatte ein Faible für Kopfbedeckungen aller Art. Bevor ein Konzert begann, blickte er unzählige Male in den Spiegel. Wenn irgendetwas nicht passte, verbarrikadierte er sich einfach in seiner Garderobe….
© Die Zeit, Kultur, 7. April 2017
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Spannend… wenn auch eher für den Monk-Neuling geschrieben. Danke! 😀