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Studio Elektronische Musik: profil [72] Gilles Sivilotto

Gilles Sivilotto ist ein musikalischer Geheimtipp. 1964 geboren, wuchs er in einem südfranzösischen Fischerdorf auf, bevor er in Aix-en-Provence elektronische Musik studierte. Er fand früh Beachtung: Jean-Claude Risset wurde sein Mentor in Marseille, später bildete er sich bei Tristan Murail am IRCAM weiter.

Dann aber hat er sich gegen – wie er es nennt – „Software-Komposition“ entschieden und ist zu digitaler Handarbeit zurückgekehrt. Er zeichnet seine Klangwellen lieber selbst Stück für Stück am Computer: Jedes Sample ein Click. Eine obsessive Arbeitsweise, denn zehn Minuten Musik zu komponieren kann zwei Monate dauern. Als Kind wollte Sivilotto Comic-Zeichner werden, nun zeichnet er Musik. Heraus kommt überpräzise, kratzige Geräuschmusik, die er auch mit Instrumentalklängen kontrastiert.ŠEin anderes Steckenpferd Sivilottos ist Straßenmusik. Warum nicht einfach auf öffentlichen Plätzen elektroakustische Musik spielen? Computer, zwei Interfaces und transportable Lautsprecher genügen doch, um zufällig vorbeikommendes Publikum zu irritieren, manchmal zu fesseln. Aus diesen Straßenmusiken entstand als Auftragswerk für das GRM in Paris Annotations d’un lieu, das auf Materialen dieser Auftritte beruht und in manchen Passagen an Luc Ferrari erinnert.Š

Hinzu kommen seine musikalischen Jugendlieben: die Blechtrommel vorbeiziehender Blaskapellen, und insbesondere explosiv-dramatische Momente mancher Werke von Berlioz und Wagner, die Sivilotto – hunderte Mal auf Schallplatte gehört – heute noch auswendig kann.



Mit Ausschnitten aus:
ŠGilles Sivilotto:Š ligne claire / 5 matères / annotations d’un lieu / handmadeŠ
Hector Berlioz:Š Symphonie fantastiqueŠ
Richard Wagner:Š Rheingold

© WDR 3 Studio Elektronische Musik, 16.4.2022

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