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NZZ: Mahlers Neunte in neuem Klang: Alles kreischt und kreist und tobt

Eine Einspielung der 9. Sinfonie von Gustav Mahler auf Instrumenten aus der Entstehungszeit stellt die zu gemütlich gewordene Mahler-Interpretation auf den Kopf. Von Michael Stallknecht.

«Etwas täppisch und sehr derb», schrieb Gustav Mahler über den zweiten Satz seiner 9. Sinfonie, eine Mischung aus Ländler und Walzer. In vielen Aufführungen bringt der ungewohnte Einbruch von Volkstümlichkeit das klassische Konzertpublikum zum Schmunzeln. Doch hört man ihn in der Neueinspielung mit dem Mahler Academy Orchestra unter dem Dirigenten Philipp von Steinaecker, dann weiss man, was das heisst: sehr derb.



Denn hier geht es zu wie auf dem Münchner Oktoberfest, wenn schräge Volksmusik-Nachmittage ab dem fünften Liter Bier zur Orgie ausarten. Alles kreischt und kreist und tobt, die Klarinetten schrillen, das Cello taumelt dazwischen, eine einsame Posaune versucht auch ihr Glück. Steinaeckers radikale Sicht auf ein vermeintlich längst klassisch gewordenes Werk hat bereits viel Aufsehen erregt. Tatsächlich könnte diese Interpretation zu den wenigen gehören, die man einmal richtungsweisend nennen wird.




© NZZ, 11.08.2024

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