Von Hans-Jürgen Linke. Im Kontext der improvisierten Musik gibt es zurzeit eine Vielzahl von Klaviertrios. Die bekanntesten sind wohl die von Pablo Held und Michael Wollny, dazu Grünen oder auch Punkt.Vrt.Plastik. Und auch eine unbedingte Empfehlung von mir!
Wenn man diese vier nebeneinander hält, kann man staunen, was für ein unglaubliches Charakterspektrum an Musik in diesen Trios entstanden ist. Und vielleicht ist das Trio in der improvisierten Musik ohnehin die Konstellation, in der sich Neues am deutlichsten vorbereitet und entwickelt. Wenn man den Blick auf die Parameter richtet, die hier musikalisch verhandelt werden, dann geht es in diesen Klaviertrios zurzeit vordringlich um eine Neudefinition des Verhältnisses von Improvisation und Komposition sowie um eine Material-Anreicherung aus dem weiten Segment der Neuen Musik.
Die Wahrheit liegt aber nicht in der vielbesungenen Mitte zwischen Freiheit und Spontaneität, sondern eher jenseits davon. Die Musik ist das Ergebnis freier Improvisation und nachdrücklich verfolgter Eigenständigkeit. Es gibt eine hohe Raffinesse im komponierten Material, aber keine Üppigkeiten, sondern klares, knappes Linienwerk. Es gibt einen beträchtlichen kühlenden Einfluss aus der sogenannten Neuen Musik, aber auch einen unablässigen, nie metrisch gleichförmigen energetischen Drive, dazu eine Liebe zum Melodischen, wie es in der Neuen Musik eher untypisch wäre.
Es gibt, kurz gesagt, einen großen Reichtum an Überraschungen, und sie kommen alle wie mit einem vorgängigen Reinheitsgebot daher: gut gefiltert, nie vorlaut, mit frappierender Offenheit und dreifach bestechender Spielkultur. Der Magnetismus, der von dieser Musik für ihre Hörerinnen und Hörer ausgeht, ist enorm.
© Frankfurter Rundschau, Kultur, Musik, 7.3.2023