„Atmen im luftleeren Raum“ Ryuichi Sakamoto: 12

Eine Rezension von Albert Koch. Noch einmal lässt sich Ryuichi Sakamoto von Klängen überfluten. Melancholie und Hoffnung sprechen aus der neuen Klaviermusik des schwer kranken Komponisten.

Es gibt nicht viele Künstlerinnen und Künstler, die ein stilistisch so breites und musikalisch so tiefes Gesamtwerk geschaffen haben wie Ryuichi Sakamoto im Verlauf von über 40 Jahren. Der Komponist, Produzent und Pianist aus Tokio hat als Grenzgänger und -überschreiter mit elektronischer Musik, Avantgarde, Pop und Neoklassik experimentiert und vor allem Filmmusik geschrieben. Seine Soundtracks für Filme wie Der letzte Kaiser (1987) und Little Buddha (1993) haben Sakamoto international bekannt gemacht. Aber immer wieder kommt er auf das Piano zurück, so wie auf seinem neuen Album 12, dem ersten seit Async aus dem Jahr 2017, das kein Soundtrack für Film oder Fernsehen ist.



Dass 12 am 17. Januar veröffentlicht wird, dem Tag, an dem Sakamoto sein 71. Lebensjahr vollendet, ist eine Entscheidung mit hoher Symbolkraft. Geburtstage feiern das Leben, Sakamoto selbst jedoch sieht sich seit mehreren Jahren mit seinem Tod konfrontiert. 2014 wurde bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert, der nach jahrelanger Behandlung geheilt werden konnte. Anfang 2021 kehrte die Krankheit zurück: Der Krebs hat auf den Darm übergegriffen und Mitte 2022 als Stadium-4-Krebs auf beide Lungen gestreut. Es ist unmöglich, die Entstehung von 12 und dessen Wirkung unabhängig von der Krankengeschichte des Künstlers zu hören.



© ZeitOnline, Kultur, Musik, 17.1.2023

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