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Bandcamp – Album Of The Day: KRM & KMRU – Disconnect / Phantom Limb

Von Ted Davis. Als „The Bug“ hat Kevin Richard Martin Jahrzehnte damit verbracht, Pionierarbeit für eine raue Form der elektronischen Musik zu leisten. Obwohl sein Sound eine Vielzahl von Stilen berührt, ist er fast immer kämpferisch und grüblerisch – eine scheppernde, etwas düstere Fusion aus Dancehall, Grime und Dubstep.

Diese Formel hat zu Partnerschaften mit allen möglichen Musikern geführt, von Inga Copeland über Liz Harris bis hin zu Death Grips, wobei Martin seinen unverwechselbaren akustischen Fingerabdruck in den eklektischen Kollaborationen beibehält.

Martin hat auch schon viele andere Hüte getragen und in einer Reihe von vergleichsweise unauffälligen Projekten mitgewirkt. Besonders erwähnenswert ist das Duo Techno Animal, das in den 90er Jahren den Trip-Hop-Ableger illbient“ mitbegründete. In letzter Zeit hat illbient dank junger Produzenten wie Jake Muir, Special Guest DJ und LXV ein faszinierendes Comeback erlebt. Inmitten dieser anhaltenden Wiederbelebung ist Martin auf seinem neuesten Album Disconnect zufälligerweise zur rauchigen Formlosigkeit zurückgekehrt. Unter dem neuen Pseudonym KRM arbeitet er hier mit dem Berliner Ambient-Nachwuchs KMRU zusammen. Das Endergebnis ist einhüllend und beunruhigend, wobei das aufstrebende experimentelle Schwergewicht Martins Unnahbarkeit wieder hervorlockt.

Disconnect ist von einer Reihe starker menschlicher Gefühle inspiriert – Angst und Hoffnung gleichermaßen. Die Tracklist ist schlammig und unerschütterlich, KMRUs körniger Sound fügt sich nahtlos in Martins dubbigere Tendenzen ein. Aber es sind die unerwarteten Gesangsdarbietungen des Ersteren, die den stählernen Ton des Albums zementieren. Auf dem 13-minütigen Opener „Differences“ lugt KMRUs sanfter Gesang aus einem Schleier aus knisternden Synthieflächen und stechenden, hallenden Akkorden hervor. Auf „Arkives“ verweilt verzerrte Poesie unter einem sich entfaltenden Meer aus scharfem Lärm. Bei „Ark“ dreht sich alles um geloopte, gesprochene Phrasen und zittrige Instrumentalschwälle, die an die kopflastige Seite von Microhouse erinnern. Am melodischsten ist KMRUs Stimme, die den silbrigen Tracks einen Hauch von Gelassenheit verleiht. Genauso oft verstärkt sie aber auch die Beunruhigung.



Die beiden haben sich zunächst über Instagram kennengelernt, nachdem Martin KMRU durch eine Dokumentation aus dem Jahr 2020 entdeckt hatte. Schnell stellten sie eine gegenseitige Bewunderung für die Arbeit des anderen fest, und Martin schlug schließlich vor, eine gemeinsame Platte aufzunehmen. „Ich bin total süchtig danach, neue Musik herauszufinden. Ich versuche immer, die Leute auf gute Sachen aufmerksam zu machen“, sagte Martin 2021 gegenüber Louder Than War. Martins Produktionen tragen typischerweise ein einschüchterndes Auftreten auf ihren Ärmeln. Doch sein offener Geist gegenüber Newcomern wie KMRU hält seine Diskografie auch nach all den Jahren bahnbrechend und unberechenbar.



© Bandcamp Daily, Album Of The Day, 17.6.2024

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