Das waren die 90er-Jahre „No Limit“: Das enthemmte Jahrzehnt von Jens Balzer

Techno, Handys, Mauerfall, Balkankrieg – und das Internet: Der deutsche Journalist und Sachbuchautor Jens Balzer erfasst in einem Buch souverän die Neunzigerjahre. Von Jean-Martin Büttner.

Nach einer umständlichen Rede spricht Günter Schabowski es aus, der ostdeutsche Sekretär für das Informationswesen: «Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen.» Es ist der 9. November 1989 um sieben vor sieben Uhr abends, und der Kalte Krieg geht zu Ende.

Zu Recht beginnt Jens Balzer sein Buch über die langen Neunzigerjahre mit dem deutschen Mauerfall im November 1989 und lässt das Jahrzehnt mit den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 auslaufen. «Low tech, high intelligence», fasste CNN die Anschläge mit amerikanischer Lakonie zusammen. Am Anfang und Ende des Jahrzehnts stürzten Mauern und Wände ein, wenn auch aus einander widersprechenden Gründen. Zu den Vorzügen von Balzers wie immer glänzend geschriebenen, detailreich recherchierten Analyse gehört, dass er sie aus einer europäischen Perspektive geschrieben hat. Darum verfällt er nie den amerikanischen Aufregungen, welche die Welt beschäftigten, aber nur die USA betrafen: das Sektendrama in Waco, Texas; die Schwarzen-Unruhen von Los Angeles; der Prozess gegen O.J. Simpson und die Enthüllungen von Monica Lewinsky; die Attentate von New York und Oklahoma City; die Verdrogung der amerikanischen Gesellschaft durch Prozac, Vicodin und kolumbianisches Kokain. 



© Tages-Anzeiger, 22.6.2023



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