Musiktipps

Die neue Tocotronic-Platte „Nie wieder Krieg“ ist anders als die zwölf Alben davor – das weckt Melancholie

Popmusik macht es einem nicht leicht. Erst euphorisiert sie, bringt die Sinne und das Denken durcheinander, dann wird sie zunehmend egaler, bis sie am Ende sanft verblasst. Das gilt für Hörer wie für Musiker. Von Jürgen Ziemer.

 Intensität lässt sich nicht ewig steigern und auch die Idee der permanenten „Neuerfindung“ macht irgendwann keinen Sinn mehr. Großkünstler wie Scott Walker haben sich deshalb in Projekte zurückgezogen, die vielen als unhörbar gelten, aber umso schöner und mutiger schillern. Andere werden zur berechenbaren Marke und zum Museum ihrer selbst.

Bei Tocotronic war so etwas lange Zeit unvorstellbar. Mitte der 90er wirkten die Musiker so „forever young“ und liebenswert sperrig, als hätte sie sich der kauzige Regisseur Wes Anderson ausgedacht. Die ersten Konzerte fanden in der autonomen Roten Flora statt und in einer längst abgerissenen Butze namens Heinz Karmers Tanzcafé. Zeilen wie „Ich weiß nicht, warum ich euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt“, klangen, als hätte Thomas Bernhard ein paar hochbegabte Neffen in Hamburg.




© Der Freitag, Kultur, Musik, 04/2022

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