Musiktipps

„Erinnerungen an Janis Joplin“ Die 50 vor Jahren starb. Von Karl Fluch, Harry Nutt, Jürg Zbinden und eine Lange Nacht

Janis Joplin: A Walk on the Wild Side Vor 50 Jahren starb Janis Joplin an einer Überdosis Heroin. Ihr Vorbild als selbstbewusste Frau im Popgeschäft wirkt bis heute nach. Von Karl Fluch

Einmal stauchte sie ein paar Hells Angels zusammen. Die standen plötzlich nachts bei ihr in der Küche und plünderten den Kühlschrank, bullige Typen mit Pistolen in den Gürteln. Joplin schmiss sie aus dem Haus. Ein anderes Mal, in Florida, betrat ein Polizist noch während ihres Auftritts die Bühne und wollte Sperrstunde machen. Joplin beschimpfte ihn durchs Mikrofon als Arschloch, er solle sich zum Teufel scheren.

Während die Hells Angels am nächsten Tag mit Einkaufstaschen voller Fresszeug Reue zeigten, kassierte sie in Florida ein paar Stunden Knast und eine Geldstrafe. Gemüse oder Gefängnis – Janis Joplin nahm’s, wie’s kam. Am 4. Oktober jährt sich der Todestag von Janis Joplin zum 50. Mal. Damals setzte sie sich in einem Hotelzimmer in Los Angeles einen Schuss. Was sie nicht wusste: Der Stoff war nicht das übliche zehnprozentige Heroin, er besaß einen Reinheitsgrad von 40 bis 50 Prozent. Dieses China White genannte Zeug „brachte ihren Herzschlag und die Lungenfunktion zum Stillstand, und sie starb“, schreibt Holly George-Warren in ihrer 2019 erschienenen Joplin-Biografie Nothing Left to Lose.

© Der Standart, Kultur, 4.10.2020

Vom Mobbing-Opfer zum stilbildenden Hippie-Idol. Janis Joplin war nicht nur die bedeutendste Sängerin unter den Hippies. Sie hat die Bewegung auch stilistisch geprägt: von der Frisur über die Kleider bis hin zu ihrem bemalten Porsche. Von Jürg Zbinden

Wird über Janis Joplin gesprochen, ist von Schönheit kaum die Rede. Liegt es daran, dass im Blues, den sie ebenso glaubwürdig verkörperte wie ihr schwarzes Vorbild Bessie Smith, Schmerz und Traurigkeit einen höheren Stellenwert geniessen? In ihrem kurzen, berüchtigte 27 Jahre dauernden Leben nahm die Sehnsucht nach Schönheit jedoch eine bedeutende Rolle ein: als Quelle ihrer Qualen, aber auch ihrer Kreativität.

© NZZ, Feuilleton, 3.10.2020

Die Freiheit der Janis Joplin Sie starb, noch ehe sie ihr musikalisches Vermögen voll entfalten konnte. Ihr Mythos lebt in einem aus wenigen Songs bestehenden Werk weiter. Von Harry Nutt

Ende der 1970er-Jahre sendete ein irischer Radiosender einen Spot zur Aufklärung über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs. Die Kampagne war mit einem Song von Janis Joplin unterlegt, über die eine Stimme aus dem Off berichtete, dass sie ein wenig pummelig und schüchtern gewesen sei („a little fat, a little shy“). Das Wort „shy“ wurde für den Reim benötigt, der da lautete: „If you drink, don’t die.“ Alkohol kann bekanntlich tödlich sein.

Die Kampagne zielte auf jugendliche Hörer und baute dabei auf eine Kollision der Emotionen. Einerseits gehörten die Lieder der fast zehn Jahre zuvor an den Folgen ihres Drogenmissbrauchs gestorbenen Bluessängerin aus Texas zum Gefühlshaushalt einer Zeit, in der noch immer Schlagworte wie Liebe und Freiheit zählten. Klar war aber auch, dass die Heroen der frühen Jahre wie Jimi Hendrix, Jim Morrison und Janis Joplin der selbstzerstörerischen Kehrseite jener exzessiven Selbstbestimmungssuche zum Opfer gefallen waren.

© Berliner Zeitung, 3.10.2020

Lange Nacht über Jansi Joplin: „Der Kozmic Blues der Janis Joplin“ Von Michael Frank

Mitten im männlich dominierten Musikgeschäft war Janis Joplin eine Ausnahmesängerin und selbstbewusste Künstlerin. Musikerinnen verschiedener Stilrichtungen dient sie bis heute als Inspiration. Am 4. Oktober 2020 jährt sich ihr Todestag zum 50. Mal.

Geboren wurde Janis Joplin am 19. Januar 1943 in Port Arthur, einer von der Ölindustrie dominierten Kleinstadt in Texas. Aufgewachsen in einer Familie aus der weißen Mittelschicht, deutete lange Zeit nichts darauf hin, dass sie ihre Stimme anders als im Kirchenchor erheben würde.

In ihren letzten Schuljahren wurde sie aber mehr und mehr zur Außenseiterin und Zielscheibe von Hohn und Spott der Angepassten. Die Lektüre von Jack Kerouacs Beatnik-Roman „On the Road“ und die Entdeckung des schwarzen Blues wurden Ende der 50er-Jahre zu prägenden Initiationserlebnissen. Schließlich fand sie in ihrer Stimme das Mittel zum Ausdruck ihrer Gefühle und zur Selbstermächtigung – zwischen Schrei und Hauch.


Zum Nachhören: Musikalische Idole: Janis Joplin (1/5): Leben auf der Schnellspur
Von Thomas Dittrich RIAS Berlin 1985

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