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Essay: 100 Jahre Radio – Stimmen im Raum

Radio macht sein Personal unsichtbar. Wer Freude an paradoxen Formulierungen hat, könnte sagen: Das Radio versammelt lauter Abwesende in einem imaginären Raum. Von Stephan Krass.

Wer spricht oder was da tönt, bleibt unsichtbar. Das ausgesendete akustische Signal wird von seiner Quelle getrennt und technisch übermittelt. Wir müssen uns also ganz auf das verlassen, was wir hören. So präsent das Radio auch erscheinen mag, es ist ein Medium, das Abwesenheit, Absenz organisiert und eine ständige Herausforderung an unser Abstraktionsvermögen darstellt.

Die Geburtsurkunde des Radios in Deutschland ist auf den 29. Oktober 1923 datiert. Vier Jahre später schon ließ sich Charles Lindberghs spektakulärer Flug über den Atlantik per Funk verfolgen. Das Weltgeschehen drang von da an bis in die entlegensten Winkel. Ein Knopfdruck genügte. Aber der Apparat ist autark, er verlangt unsere Anwesenheit nicht. Er muss nicht einmal eingeschaltet werden. Auch wenn er ausgeschaltet ist, läuft das Programm.

Stephan Krass nimmt in seinem 2022 erschienenen Essayband „Radiozeiten“ seine Leserinnen und Leser mit auf eine fulminante Reise durch 100 Jahre Rundfunk. Die Sendung Essay und Diskurs stellt zwei Kapitel vor, gelesen von Herbert Schäfer.




© Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 15.10.2023

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