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„Fourth World“ Imaginäre Weltmusik seit Jon Hassell

Als der amerikanische Komponist und Trompeter Jon Hassell 1980 seine gemeinsam mit Brian Eno produzierte Platte “Fourth World Vol. 1: Possible Musics” veröffentlichte, deutete schon der Titel auf eine Serie von künstlerischen Experimenten mit konzeptioneller Ausrichtung.

Von Olaf Karnik

Hassell hatte bei Karlheinz Stockhausen und beim indischen Raga-Meister Pandit Pran Nath studiert, in den USA mit den Minimalisten Terry Riley und La Monte Young zusammen gespielt und war Fan des elektrischen Fusion-Jazz von Miles Davis. In seinem Fourth World-Konzept wurden diese Einflüsse mit Elementen traditioneller Musik aus Afrika und Asien zu einem mystisch-erotischen Hexengebräu verrührt, das sich vor allem nicht um eins bemühte: Authentizität.

Stattdessen schwebte Hassell eine globale Musik in der Möglichkeitsform vor, die die sozio-kulturellen Differenzen von Erster, Zweiter und Dritter Welt transzendiert: eine Vermischung von traditioneller Musik aus der ganzen Welt mit westlichen Kompositionstechniken und moderner Elektronik, aus der eine zeitgenössische Folklore unbekannter und imaginärer Regionen entsteht. Seinen ethnopoetischen Sound diversifizierte Hassell auf zahlreichen Veröffentlichungen bis in die 1990er Jahre und fand in dieser Zeit viele Adepten und Wegbegleiter – darunter Michael Turtle, Roberto Musci oder Finis Africae.

In den letzten Jahren ist das Echo der Fourth World Music wieder laut geworden. Die Verschmelzung von traditioneller Folklore mit futuristischer Elektronik und der Genre-übergreifende Appeal von Hassells Musik fasziniert eine neue Generation von Produzenten im Bereich zwischen Ambient und experimenteller Elektronik, darunter Spencer Clark, Jonny Nash, Visible Cloaks oder Andrew Pekler. Ein Streifzug durch die Territorien der Fourth World Music gestern und heute.


© WDR 3, Open Sounds, 19.5.2018

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