„Gegen Enge und Strenge“ Klaus Doldinger, der „heimliche Lieblingskomponist der Deutschen“, blickt auf rund 70 Jahre Jazz Made in Germany zurück. Von Jens Uthof.

Alles beginnt im Mai 1945 mit ein paar schwarzen GIs, die den Swing nach Oberbayern bringen. Ein knapp neunjähriger Junge namens Klaus steht vor einer Bühne im Dorfgasthof in Schrobenhausen; vor lauter Begeisterung über das, was er sieht und hört und fühlt, vergisst er fast, dass er eigentlich dringend pinkeln muss.

Die Musik haut ihn um, „sie schien zwar einer Struktur zu folgen, klang innerhalb dieser Struktur aber vollkommen frei. Natürlich hätte ich das damals nicht so beschreiben oder gar erklären können, aber ich konnte es fühlen, mit jeder bebenden Faser meines Körpers spüren“, erinnert sich Klaus Doldinger mehr als 75 Jahre später. Die gerade besiegten Nazis hatten den Swing und den Jazz gehasst – kein Wunder, ließ es sich dazu doch schlecht im Stechschritt laufen.

Klaus Doldinger erzählt diese Anekdote zu Beginn seiner eben erschienenen Autobiografie, und in der Tat ist seine Lebensgeschichte eng mit der postnazistischen Bundesrepublik verbunden. Doldinger entwickelt sich später zum „heimlichen Lieblingskomponisten Deutschlands“ (Spiegel) und einem der erfolgreichsten (Jazz-) Musiker des Landes: Er spielt (zunächst mit Udo Lindenberg am Schlagzeug) bei der Band Passport, er schreibt die Larger-Than-Life-Titelmelodie für den „Tatort“ und die legendären Filmmusiken für „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“. Er betreibt Soloprojekte und schreibt Werbejingles. Seine Stücke sind deutsches Kulturerbe.



Klaus Doldinger, Nicolas Doldinger, Torsten Groß: „Made in Germany. Mein Leben für die Musik“. Piper Verlag, München 2022. 320 Seiten, 26 Euro


© Berliner Zeitung, Kultur, 3.10.22

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