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Jazzwerkstatt Peitz: „Free Jazz als Antidepressivum“

Von Peter Kemper (FAZ). Die Jazzwerkstatt Peitz, in der DDR als Woodstock am Karpfenteich bekannt und dann verboten, blüht unter Marie Blobels Leitung neu auf. Da wird auch schon mal der Klassiker „A Night In Tunesia“ zu „An Evening In Peitz“.

„Ein Fenster in die Freiheit hinaus – das war Peitz“, bekannte kürzlich der Drummer Günter ‚Baby‘ Sommer, Urgestein der frühen Free-Jazz-Szene in der DDR. Da kamen junge Leute, Schüler, Lehrlinge zu Hunderten, die ihren Repressalien im Alltag entfliehen wollten und, angeregt durch das Geschehen auf der Bühne, durch den freien Umgang mit den Instrumenten und musikalischen Traditionen, auch weitergehende Freiheits-Gefühle entwickelten, die mit den Verordnungen des SED-Staates nicht kompatibel waren.



1973 von Uli Blobel und Jimi Metag in einer Idylle in der Niederlausitz gegründet, wurde die „Jazzwerkstatt Peitz“ von ihren Fans schon bald liebevoll „Woodstock am Karpfenteich“ genannt. Von Anfang an begriff sich das Festival als Live-Labor freierer Spiel- und Lebensformen: Free Jazz als Folie für improvisierten Widerstand. 1982 aus heiterem Himmel verboten, konnte die Konzertreihe erst 2011 von den alten Machern mit neuem Elan fortgesetzt werden. War „Nonkonformismus“ zu DDR-Zeiten ausdrückliches Credo und einigende Kraft der Besucher – solcherlei Protestideal hat sich inzwischen verschliffen –, so bleibt die „Jazzwerkstatt Peitz“ bis heute einer anderen Maxime treu: Radikale Improvisationsmusik als eine Art Anti-Depressivum inmitten eines zunehmend verregelten Alltags!



© FAZ, Feuilleton, 24.8.2024


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