Er hat mein Gehör erschüttert. Und seine Musik das Verständnis von Jazz und Neuer Musik. Zum siebzigsten Geburtstag des amerikanischen Komponisten und Saxophonisten John Zorn. Von Andreas Platthaus.
Das erste Mal live hörte ich ihn in seiner Heimatstadt New York, 1992 in der Knitting Factory, damals ein Zentrum der amerikanischen Jazz-Avantgarde. Aber das war nichts gegen das, was zwei Jahre später folgen sollte. Dazu später. In New York hatte John Zorn mit einem runden Dutzend Mitstreitern auf der Bühne „Cobra“ gespielt, und das muss man so doppeldeutig verstehen, wie es klingt: nicht nur musikalisch, sondern tatsächlich auch spielerisch.
„Cobra“, in den Achtzigerjahren von Zorn entwickelt, ist ein musikalisches Improvisationsspiel, bei denen die Musiker das Stück jazztypisch in ständig wechselnder Interaktion fortentwickeln, aber nach festgelegten Regeln – eine Aufmerksamkeitsübung fürs Publikum angesichts der Zeichensprache und ein großer Spaß für die Musiker, zu dem sich damals Monat für Monat in der Knitting Factory die lokale Crème in ständig wechselnden Besetzungen versammelte. Immer dabei aber natürlich am Saxophon: John Zorn, Nestor dieser Szene, damals jedoch schon weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt.
© FAZ, Feuilleton, 2.9.2023