„Musik machen ist verboten“ Rockband Kabul Dreams über Afghanistan

Die Rockband Kabul Dreams lebt seit 2015 im US-Exil. Die Musiker halten den Kontakt zu Familie und Freun­d:in­nen in der Heimat. Zu Hause ist es unerträglich. Von Jens Uthoff.

taz: Sulyman Qardash, Siddique Ahmed, sind Sie derzeit in Kontakt mit Freunden, Verwandten und Musikerkollegen in Afghanistan und was können Sie über deren Situation sagen?

Sulyman Qardash (SQ): Die Situation ist unerträglich. Viele Leute bleiben aus Angst zu Hause, besonders Frauen. Verwandte von mir haben auf mittlerer Ebene für die Regierung gearbeitet. Nun bekommen sie keinen Lohn mehr. Die Banken zahlen aktuell umgerechnet 170 Euro pro Woche aus, es gibt kein Kreditkartensystem wie im Westen, nur Bargeld. Und das ist knapp. Wie es die Taliban mit der Meinungsfreiheit und der freien Presse halten, ist ja bekannt.



Siddique Ahmed (SIA): Frauen, die bis zur Machtübernahme gearbeitet haben, können das nun nicht mehr tun. Nach 40 Kriegs- und Konfliktjahren leben in Afghanistan ohnehin viele Witwen. Ihnen bleibt nun nichts zum Leben – nicht für sich selbst, nicht für ihre Kinder. Künst­le­r:in­nen haben ebenfalls nichts mehr, um ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien zu bestreiten. Und das Schlimmste ist: Es gibt auch keinerlei Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Die Taliban sind dabei, Musik erneut zu verbieten. Sie zerstören und verbrennen offenbar Instrumente.

Siddique: Sie haben öffentlich erklärt, dass Musikmachen verboten ist, und sie haben auch öffentlich gesagt, dass Musiker andere Dinge tun sollen, um Geld zu verdienen. Wer mit Musik seinen Lebensunterhalt bestritten hat, dem bleibt nichts anderes übrig. Viele Hochzeitssänger haben keinerlei Einkünfte mehr, um ihre Familien zu unterstützen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es wieder so sein wird wie in den 1990er Jahren, als schon einmal Musikhören verboten war.




© TAZ, Kultur, 19.10.2021

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