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ND: „Verwertung bis zum letzten Ton“ Über Bob Dylan, das Finanzkapital und die Urheberrechte von Berthold Seliger

Robert Zimmerman hat es getan: Der Musiker, als Bob Dylan weltberühmt, hat die Verlagsrechte an seinen Songs – etwa 600 Songs aus sechs Jahrzehnten – an die Universal Music Publishing Group verkauft. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart – in der Branche wird von einem Betrag zwischen 250 und 400 Millionen US-Dollar gemunkelt.

Die deutschen Medien haben sich auf 300 Millionen US-Dollar geeinigt und singen ansonsten das Lied vom Singer/Songwriter-Genie, das wahlweise den »Deal seines Lebens« (»Die Zeit«) oder einen »geschickten Schachzug« (»Taz«) gemacht hat: ein »Songwriter im Geldrausch« (»FAZ«), »eine rollende Geldmaschine« (»Tagesspiegel«). Dabei geraten die aktuellen Entwicklungen und Besitzverhältnisse im Musikgeschäft in den Hintergrund, und die eigentlich spannenden Aspekte und Gründe derartiger Deals, die seit einigen Jahren eher die Regel denn eine Ausnahme darstellen, werden gar nicht erst angesprochen, nämlich Finanzkapitalismus und Urheberrecht – und die Antwort, mein Freund, kennt nicht nur der Wind …

Zunächst: Was genau hat Bob Dylan eigentlich an den größten Musikkonzern der Welt, an Universal (der Verlagsarm der Universal Music Group, UMG, gehört zum französischen Mischkonzern Vivendi) verkauft? Die Royalties, also die Tantiemen, die sich aus Urheberrechten an Musikstücken ergeben, sind ein kompliziertes und komplexes Geschäft. Für einen Song gibt es Urheberrechte, und zwar sowohl für die Komposition als auch für den Text (und gegebenenfalls auch noch separat für das Arrangement); entsteht eine Aufnahme des Songs, gelten für die Einspielung separate Rechte. Es gibt sogenannte mechanische Rechte, wenn der Song in einem physischen Format (zum Beispiel als CD) oder als Stream verkauft wird, Aufführungsrechte (wenn der Song etwa im Radio oder bei einem Konzert gespielt wird) und Synchronisierungsrechte (wenn der Song in einem Kinofilm, im Fernsehen oder in einem Videospiel verwendet wird). Universal hat von Bob Dylan lediglich die Verlagsrechte an seinen Songs erworben, also die Rechte an den Kompositionen – im Fall Dylans eine eindeutige Angelegenheit, da es für die meisten Songs keine Koautoren gibt und Dylan sowohl die Musik als auch die Texte geschrieben hat – UMG kann also künftig allein darüber entscheiden, wer Dylans Songs zu welchen Zwecken verwenden darf, und muss die Einnahmen daraus wie auch diejenigen aus CD-Verkäufen und Streams mit niemandem teilen. Andrerseits hat Dylan die Rechte an seinen Aufnahmen behalten, die er weiter selbst auswerten wird und außerhalb der USA weiterhin von Sony/ATV betreuen lässt – dieser Vertrag läuft noch über etliche Jahre.

© Neues Deutschland, Kultur, 22.12.2020

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