Musiktipps

nmz: „Ohne Ethos keine Kunst“ Zum Tode des amerikanischen Pianisten, Komponisten und Improvisators Frederic Rzewski von Georg Beck

Begegnungen mit Frederic Rzewski, so wenige es auch gab, immer hielten sie irgend­eine Überraschung bereit. Da konnte ich mich noch so sehr auf dieses und jenes Thema vorbereitet haben – es kam, am Ende, ganz anders. Hatte er Zeit und Lust, konnten die angestrebten Formate leicht aus dem Ruder laufen, in jeder Beziehung.

Ja, mit Frederic Rzewski habe ich wohl eines der längsten Interviews meiner journalistischen Laufbahn geführt. Geschehen so beim Kunstfest Weimar am Rand der deutschen Erstaufführung seines 1986 entstandenen Bühnenstücks „Der Triumph des Todes“ auf das die Auschwitz-Prozesse verarbeitende Dokumentendrama „Die Ermittlung“ von Peter Weiss. Die Aufführung selbst war nicht weiter der Rede wert, ging unter in Plattitüden, leerer Symbolik, verdoppelte, bot von allem zuviel. Mein Interview mit dem Komponisten nicht. 

Aber was heißt hier schon Interview! Je länger es dauerte – zu meiner nicht gelinden Überraschung machte der alte Herr keinerlei Anstalten, die Dinge kadenzieren zu lassen –, lösten sich Form und Rollenverteilung allmählich auf. Plötzlich war er es, der die Fragen stellte, der wissen wollte, weshalb ich mich mit so einer düsteren Thematik befasste und auch noch freiwillig?

© Neue Musik Zeitung, 7/2021

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