Musiktipps

NZZ: „Nach der Krise werden wir Musik anders hören“ Von Laurenz Lütteken

In schwierigen Zeiten finden Komponisten oft zu besonders eindringlichen Klängen. Wenn man sie wieder öffentlich spielen kann, wird sich unsere Wahrnehmung verändert haben.

Die Welt ist still geworden, nicht allein im Alltag, sondern auch in dem, was ihn durchtrennt, was ihn zum Fest macht. Die Konzertsäle sind leer, die Opernhäuser gleichfalls, die Akteure sind verstummt. Musik hat, und keineswegs nur in Europa, alle Öffentlichkeit verloren, sogar die rituelle, in einer Passionszeit ohne Passionsmusiken, in einem Osterfest ohne Gesang. In einem Akt der Verzweiflung fluten die Institutionen das Netz derzeit mit Musik aller Art, was zwar grosszügig ist – aber die Beklemmung nicht zu verringern vermag, im Gegenteil.

Musik ist eben nicht nur etwas für den privaten Kopfhörer, sondern trägt das Gemeinsame in sich: des Musizierens und des Zuhörens. Wie ein Fanal dieses Zustands wirkte die Premiere der «Götterdämmerung» Anfang März im japanischen Otsu, nahe Kyoto: eine aufwendige Produktion, die gerade noch, vor dem vollständigen Verbot aller Aufführungen, stattfinden konnte, jedoch bereits ohne Publikum, vor vollkommen leerem Haus, per Live-Stream übertragen. Nach dem Finale herrschte bedrückend-ratlose Stille, die Beteiligten haben sich schliesslich lautlos vor einem menschenleeren Saal verneigt – ein zeichenhaftes Signal. Und unterdessen wäre selbst ein solches nicht mehr möglich….

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© NZZ, Feuilleton, 15.4.2020

https://youtu.be/oDiL5-QxBCc

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