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Release Tipp: Melissa Pons & Nils Mosh: Of Wolves and People / gruenrekorder

Am Wolf scheiden sich seit Menschengedenken die Geister. Es gibt nur eines: Liebe oder Hass. Die einen richten Schutzgebiete für den Wolf ein, die anderen schützen ihre Tiere vor ihm. Beides ist richtig. Umso wichtiger ist diese Veröffentlichung.

Melissa Pons hat ihren Weg zum Wolf gefunden. Der hat mit Respekt und Erkennen zu tun. Während Nils Mosh sich mit den folgen der Rückkehr des Wolfes im ländlichen Raum von NRW beschäftigt und auf Spurensuche. PferdehalterInnen, NaturschützerInnen, SchäferInnen und viele mehr erzählen von ihren Sorgen, Vermutungen und Veränderungen im Alltag. Und vielleicht geht es auch gar nicht immer um den Wolf.


Lament of the wolf – Melissa Pons

Durch die Brille der christlichen Mythologie wurde der Wolf aus einer furchteinflößenden Perspektive betrachtet. Denn was ist die andere Seite der biblischen Bilder von Jesus als einem Hirten, der seine Herde beschützt? Als die Menschen eine gewaltsame
Vernichtungsmethode wählten, um ihr Eigentum und ihren Lebensunterhalt zu schützen, wurde der Wolf, der schlecht verstanden und mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde, in Europa ständig gejagt, oft in der Öffentlichkeit gefoltert, und einen Wolf zu töten, galt als Symbol für Mut.

In den letzten Jahrzehnten hat die Population des Iberischen Wolfs in Portugal einen drastischen Rückgang erlitten, der die verbliebenen Rudel in den Norden des Rio Douro verdrängt hat, während sie früher fast das ganze Land bewohnten. Inzwischen gibt es Schutzmaßnahmen durch Sensibilisierung, Aufklärung und die Anwendung nachhaltiger Methoden, auch wenn engagierte Organisationen in einigen Regionen immer noch auf Zweifel und Widerstand stoßen.


Melissa Pons


Melissa verbrachte mehrere Tage im Iberian Wolf Recovery Center – einem Schutzgebiet in der Nähe von Lissabon, Portugal – und lernte von den MitarbeiterInnen und durch die Beobachtung der Wölfe, die sie vom späten Abend bis zum frühen Morgen aufnahm, ein Gefühl für ihren Rhythmus zu bekommen. Minho, Gardunha, Arga, Lobito, Nave, Gerês, Malcata, Regoufe, Nogueira, Freita, Faia, Bolota sind ihre Namen.


In Anknüpfung an die häufigen Träume mit Tieren, die Melissa damals erlebte, entstand in ihrer Phantasie die Figur eines Kindes, das durch Neugier und tiefen Respekt eine Beziehung zu Wölfen aufbaut. Das bedeutet nicht, den Wolf zu zähmen oder zu domestizieren, sondern die Angst zu überwinden und den Wolf als ein hochintelligentes und sensibles Tier zu verstehen.
Es ist diese Intelligenz und Sensibilität, die im Mittelpunkt dieser Komposition stehen. Der Wolf lebt und der Wolf leidet unter der menschlichen Arroganz. Und sein beängstigendes und hypnotisches Heulen kann einfach ein schönes Lied sein. Ihre Körperbewegungen, flink und doch stark, stampfen auf den Boden, den man unter den Füßen spürt. Wie sie von den Menschen – und natürlich auch von anderen Tieren – Respekt einfordern. Dass sie ein Recht auf Leben haben, einfach weil es sie gibt, und weil wir die verheerenden Auswirkungen auf die Ökosysteme gesehen haben, die ihre Ausrottung verursacht haben.
Für Melissa kann der Wolf sehr wohl als mythologische Figur gesehen werden, wegen all der Eigenschaften, die er besitzt, und wegen des Gleichgewichts, das er dort schafft, wo er existiert.


Nils Mosh Kollage aus Fieldrecordings & Interviews

Ursprünglich wollte Nils Mosh nur dorthin, um eine Nachtigall aufzunehmen. Doch schon bei seinem ersten Besuch verliebte er sich in die Landschaft der Kirchheller Heide und noch spannender wurde es, als er erfuhr, dass es in dem Gebiet wieder eine Wölfin gibt. Um mehr herauszufinden, orientierte er sich an der Gahlener Wolfskarte und lernte direkt Betroffene kennen, fand Wolfsfell an Stacheldraht und fand Grabungsspuren von Riesenwolfspfoten. Über einen Zeitraum von drei Jahren besuchte Nils Mosh das Gebiet von GW954f und ihrem Rudel. Er besuchte Rissstellen, Mahnwachen gegen den Wolf, baute Wolfsschutzzäune mit WikiWolves e.V., dessen Motto „Weidetierschutz ist Wolfsschutz“ lautet, und sprach mit Naturschützern aus der Region. Über kein Thema wird in der Region so heftig diskutiert wie über den Wolf und was mit ihm zu tun ist. Dabei geht es oft um viel mehr. Um den Kampf Stadtmensch gegen Landmensch, um unterschwellige Ängste und den Wandel in der Gesellschaft.


Nils Mosh / Foto von Sofia Brandes

Der Wolf ist zurück in Deutschland im Ruhrgebiet. Das Gebiet der GW954f alias „Gloria von Wesel“ ist eine abwechslungsreiche, vom Bergbau geprägte Gegend, durchsetzt mit verwunschenen Seenlandschaften aus stillgelegten Sandgruben, renaturierten Wäldern, aktiver Industrie, Weiden und Dörfern. Doch die einzigartige Klanglandschaft wird begleitet von den Sorgen, Meinungen, Streitigkeiten und Hoffnungen der Menschen, die in ihr leben. Der Wolf ist selten zu sehen, aber wenn, dann auf unscharfen Handybildern oder in Kamerafallen, die dicht an dicht zwischen den Zäunen zum Schutz der Schafe stehen. Noch seltener ist die Wölfin zu hören, als ob sie vermutet, dass in ihrem Revier zwischen Bottrop, Dinslaken, Gahlen und Oberhausen der eine oder andere versucht, an sie heranzukommen. Wie nimmt sie die Welt um sich herum auf? Was bedeuten ihr die Geräusche der Menschen, wie Fließbänder und Bagger in den Sandgruben? Weiß sie schon, dass sich Menschen nähern, lange bevor die Frösche verstummen, weil ein zweibeiniger Eindringling auftaucht? Und wie klingt die Rückkehr des Wolfes nach 160 Jahren im Ruhrgebiet für die Anwohner? Lauschen sie dem Gesang der Nachtigallen oder lassen sie sich von den lärmenden Bauarbeiten an den Wolfsschutzzäunen stören? Und geht ihnen das ohnehin schon ungewohnte Röhren des Rothirsches im Duett mit den Rufen des Waldkauzes auf die Nerven, weil sie wissen, dass irgendwo in der Dunkelheit ein Wolf lauert? Die reiche Geräuschkulisse des Ruhrgebiets wird ergänzt durch Interviews mit Bewohnern des Wolfsgebiets. Pferdehalter, Naturschützer, Schäfer und viele mehr erzählen von ihren Sorgen, Ahnungen und Veränderungen in der Region. Und vielleicht geht es ja nicht nur um den Wolf.


Diese Veröffentlichung ist nicht neu und so gibt es auf gruenrekorder auch schon dazu Reviews zu lesen.



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